Hannover/Wittenberg. Im Containerdorf regnet es in Strömen. Pfützen machen sich auf den Schotterwegen breit. Die Sonne versteckt sich im dunkelgrauen Himmel. "Es ist sehr kalt in Deutschland", findet die Chinesin Hanna (21) aus Taiwan und zieht die Ärmel ihres Pullovers über ihre Hände. Kein Wunder, denn während Hannover gerade im Regen versinkt, steigen in ihrer Heimatstadt Pingdon die Temperaturen auf tropische 32 Grad. Ginge es nach der Chinesin, dürfte sie bei den Deutschen eigentlich nur auf kühle Gesichter treffen, denn schlechtes Wetter soll ihnen angeblich den ganzen Tag verhageln.
"Sie sind eben fröhlich, wenn die Sonne scheint", erklärt Hanna etwas verlegen. "Das waren zumindest meine Vorstellungen, bevor ich nach Hannover reiste." Bei einer Internationalen Jugendbegegnung der hannoverschen Landeskirche und des Evangelisch-lutherischen Missionswerks in Niedersachsen haben sich ihre Vorstellungen über Deutsche jetzt gründlich verändert – nicht zuletzt durch die fröhliche Mara (19) aus Lüneburg, die auch bei Regen immer ein Lächeln bereit hat.
Klischees halten sich hartnäckig
15 Jugendliche aus fünf Nationen und drei Kontinenten wollen beim Projekt "Living Utopia – Gemeinschaft bildet!" anlässlich des Reformationsjubiläums noch bis zum Sonnabend den eigenen Vorurteilen über andere Länder nachspüren. Dafür sind sie aus Taiwan, Russland, Südafrika, Deutschland und Indien für zwei Wochen nach Hannover und Wittenberg gekommen.
"Wir wollen aufräumen mit dem Schubladendenken und herausfinden: Was unterscheidet euch tatsächlich? Und was verbindet euch?", sagt Projektleiterin Franziska Horn vom evangelischen Landesjugendpfarramt. Denn Vorurteile und Stereotypen über Nationen gibt es jede Menge: Chinesen essen immer Reis. Inder lieben nur Bollywood-Filme. Russen trinken den ganzen Tag Wodka im klirrend kalten Putin-Reich. Die Klischees halten sich hartnäckig, und weltweit brodelt es ihretwegen oft gefährlich.
Mit ihrer Meinung über die angeblich so humorlosen Deutschen stand die Chinesin Hanna anfangs nicht allein da. Denn auch für den mitgereisten Ming-Han (21), für Levatho (18) aus Südafrika und Jana (20) aus Russland war klar: Deutsche sind Bekanntschaften mit geringem Spaßfaktor. "Dazu bleiben sie akribisch an roten Ampeln stehen – selbst wenn zwei Kilometer weit kein Auto zu sehen ist", sagt Levatho ungläubig.