Fünf Jahre nach dem Terroranschlag auf die Synagoge in Halle beklagt der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Halle, Max Privorozki, einen anhaltenden Antisemitismus in Deutschland. Nach dem „Pogrom“ der Hamas gegen Israel vor einem Jahr habe die jüdische Gemeinschaft eigentlich Empathie und Anteilnahme erwartet, sagte Privorozki im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Aber offenbar macht es einen Unterschied, ob ein Anschlag von einem Neonazi oder von der Hamas ausgeht“, sagte der Vorsitzende des Landesverbandes Jüdischer Gemeinden in Sachsen-Anhalt.
Auch in Halle gebe es – wie in anderen deutschen Städten – antisemitische Demonstrationen gegen Israels militärisches Vorgehen im Gazastreifen. „Aber die Opfer in Gaza sind ebenfalls Opfer der Hamas“, betonte Privorozki. Die Terroristen versteckten sich hinter Zivilpersonen, darunter auch Kinder: „Diese Anfeindungen, die wir jetzt erleben, das ist Antisemitismus, der sich hinter der Forderung nach Frieden im Nahen Osten maskiert.“
Am 9. Oktober 2019, dem jüdischen Feiertag Jom Kippur, hatte der Rechtsterrorist Stephan B. einen Anschlag auf die Synagoge in Halle verübt und dabei eine 40-jährige Frau vor dem Gotteshaus und einen 20 Jahre alten Mann an einem benachbarten Imbiss getötet. Zwei weitere Menschen verletzte er schwer. Sein Versuch, in die Synagoge einzudringen, scheiterte an der Tür.
Das Oberlandesgericht Naumburg verurteilte B. im Dezember 2020 zu einer lebenslangen Haftstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung. Im Januar dieses Jahres wurde der Täter erneut verurteilt, nachdem er bei einem Fluchtversuch aus der Justizvollzugsanstalt Burg zwei Geiseln genommen hatte.
Der Angriff auf die Hallenser Synagoge präge die Gemeinde bis heute, sagte Privorozki. Die Gemeinde sei in Gedanken bei den beiden Opfern. Jedes Jahr spreche man an Jom Kippur ein besonderes Gebet für sie.
Zum fünften Jahrestag des Anschlags am kommenden Mittwoch werden auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) zu einer Gedenkfeier in Halle erwartet. Privorozki rief die Politik auf, Antisemitismus unabhängig von solchen Jahrestagen permanent zu bekämpfen.
Eine Bedrohung für jüdisches Leben gehe sowohl von Migranten aus islamischen Ländern wie von der erstarkenden AfD aus. Nicht alle Menschen, die AfD wählten, seien Rechtsradikale, sagte der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Halle. In der Partei gebe es aber Antisemiten und Rechtsextreme.