Artikel teilen:

Fröhliche Auszeit

Unterwegs in Schweden laden kleine „Kirchen am Wege“ zu einer kleinen Pause ein. Ehrenamtliche heißen Besucher willkommen – auch mit Keksen und Kaffee. Ein Erfahrungsbericht

Wer mit dem Auto durch Schweden reist, findet an größeren Landstraßen immer wieder Schilder mit der Aufschrift „Vägkyrka“. Sie laden ein zu einer kleinen Pause und zum Besuch einer „Kirche am Wege“. Ihre Besonderheit besteht darin, dass man in diesen Kirchen immer auf Ehrenamtliche trifft, die bei Bedarf zu einem Gespräch bereit sind. Man kann etwas über den Kirchbau erfragen, aber auch über das eigene Leben oder über Gott sprechen. Und immer stehen kostenlos Kaffee und Kekse bereit.

In der Kirche freundliche Menschen treffen

So wie ich eine Vägkyrka in Schweden erlebe, so wünsche ich mir die Kirche überall. Ein einladender Ort auf meinem Weg. Ein Ort, der eine Unterbrechung lohnt, weil er Erholsames bietet. Ein Ort, wo Menschen freundlich und offen zu Gesprächen bereit sind über Gott und die Welt. Ein Ort, den ich gestärkt wieder verlasse.
Manchmal kann das auch durch Humor geschehen. Das haben wir unlängst im kleinen Ort Guldsmedshyttan nahe Örebro in der Provinz Närke erlebt. In der dortigen Vägkyrka sind noch bis Anfang September einige Skulpturen der Künstlerin May Lindholm zu sehen. Es handelt sich dabei um etwa dreißig Zentimeter große dickbäuchige Gestalten, die einen sofort lächeln machen. Gleich im hinteren Eingang der Kirche sitzt einer dieser fröhlichen Gesellen auf einer Schaukel und wartet darauf, angestoßen und bewegt zu werden. Auf den Stufen des Altarraums werfen sich drei Kinder einen Ball zu. Und auf dem Geländer der Orgelempore balancieren zwei Wagemutige.
Besonders angetan aber hat es mir eine auf der Kanzel angebrachte Gestalt. Sie steht nur auf dem rechten Bein, denn das linke ist mit einem besonders ausgeprägten großen Zeh tastend nach vorn gestreckt. Stünde die Figur am Rande eines Schwimmbeckens, könnte man denken, sie prüfe, ob das Wasser warm genug ist zum Baden. Aber hier auf der Kanzel? Was sich die Künstlerin wohl dabei gedacht hat?
Mir fällt der Theologe Karl Barth ein, der vor fast hundert Jahren geschrieben hat: „Glaube ist … nie gesichert, er ist immer und immer aufs neue der Sprung ins Ungewisse, ins Dunkle, in die leere Luft.“ Und mir fällt Petrus ein, der es nach einer Aufforderung Jesu wagt, bei stürmischer See aus einem Boot zu steigen, um auf dem Wasser dem auf ihn zukommenden Jesus entgegenzugehen. Erst als er nicht mehr auf Jesus schaut, sondern auf die hohen Wellen, beginnt er zu sinken, ehe Jesus ihn rettet. Glaube also ist das Wagnis, ins Leere zu springen verbunden mit der Zuversicht, dabei gehalten zu werden.

Heiteres Gespräch über Ernsthaftes

Woher aber soll ich vor dem Sprung solche Zuversicht gewinnen? Nur weil irgendein Mensch, der als Predigerin oder Prediger auf der Kanzel steht, davon redet? So verstehe ich den rechten ausgestreckten Arm der Figur. Oder weil ich letztlich darauf vertraue, durch die Worte von Predigenden eine andere Stimme zu hören, die Stimme Gottes? So deute ich die linke ans Ohr gelegte Hand des Lauschenden.
Es sind diese kleinen Kunstwerke in einer schwedischen Kirche am Wege, die an einem heiteren Sommertag uns zu einem durchaus heiteren Gespräch über Ernstes anregen: über das Wagnis des Glaubens, über das Bewegtwerden durch ihn, über die Balance des Lebens und über das Vertrauen und die Freude von Kindern und wie das alles zusammenhängt. Vielleicht hat die Künstlerin ja gerade das erreichen wollen.