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Friedhöfe – Orte der Begegnung und des Lebens

Eine ornithologische Führung unter dem Motto „Alle Vögel sind schon da“, ein poetischer Rundgang durch die Botanik unter dem Titel „Frühlingserwachen“, die „Sommergeselligkeit“ bei Kuchen und Musik – der städtische Friedhof in Wismar (Mecklenburg-Vorpommern) ist mehr als ein Ort der Trauer. Er ist ein Lebensort, möglich macht das der Verein zur Förderung der Friedhofskultur in Wismar.

Im April 2014 fanden sich in Wismar etwa 20 Bürger zusammen, die es sich zur Aufgabe machten, den Friedhof „in seiner geschichtlichen, kulturellen und künstlerischen Besonderheit zu erhalten und vermehrt ins Bewusstsein der Stadt und des Tourismus zu rücken“. So ist es auf der Vereinswebsite zu lesen, die als weitere Veranstaltung sogar eine Kriminacht auflistet.

„Wir wollen zeigen, dass der Friedhof ein Ort der Begegnung und des Lebens ist“, sagt Vereinsvorsitzende Anja Kretschmer. Die Angebote richteten sich an alle Menschen, egal ob jung oder alt.

Auch auf dem Friedhof der evangelischen Kirchengemeinde Oldesloe (Schleswig-Holstein) finden regelmäßig Veranstaltungen statt – von der Friedhofsführung bis zum Gospelkonzert. „Erlaubt ist, was gefällt und was niemand anderen stört“, sagt Friedhofsleiter Jörg Lelke.

Für Lelke sind Friedhöfe mehr als ein Ort der Verstorbenen. Er sieht in ihnen zusätzlich einen Ort sozialer Begegnungen, einen Kulturraum, zudem bildeten sie das „Gedächtnis“ sowie die „Grüne Lunge“ der Stadt. Lelke erinnert daran, dass die Friedhofskultur in Deutschland seit zwei Jahren Immaterielles Unesco-Kulturerbe ist.

Ziel sei es, vielen Gruppen ein Wirkfeld zu bieten, sagt Lelke. Als Beispiele nennt er Hospiz- und Trauergruppen, Naturschutzverbände, Musikfreunde, Theatergruppen, Kunstinteressierte, Kindergartengruppen und Schulklassen.

Ganz besonders werde auf dem Oldesloer Friedhof der Ewigkeitssonntag gefeiert: Im Freien musiziere der Posaunenchor, in der Kapelle erklinge meditative Orgel- und Flötenmusik, dazu gebe es Fotoausstellungen, Lesungen und Gesprächsangebote von Pastoren.

Der Ohlsdorfer Friedhof (Hamburg) zieht neben Angehörigen Verstorbener auch Touristen sowie Fans prominenter Toter an. Die Smartphone-App „Friedhof Ohlsdorf“ zeigt insgesamt rund 700 Orte, darunter etwa 580 Prominentengräber, Grabanlagen, Kapellen oder Friedhofsgärtnereien.

Zu den bekannten Persönlichkeiten, die auf dem größten Parkfriedhof der Welt ihre letzte Ruhe gefunden haben, zählen der ehemalige SPD-Bundeskanzler Helmut Schmidt und seine Ehefrau, die Lehrerin, Natur- und Pflanzenschützerin Hannelore „Loki“ Schmidt. Auch Ohnsorg-Theater-Schauspieler Henry Vahl, die „Großstadtrevier“-Darsteller Jan Fedder und Mareike Carrière, Musiker James Last sowie HSV-Legende Uwe Seeler sind in Ohlsdorf beigesetzt.

Auf dem Wismarer Friedhof seien neben Einheimischen ebenfalls regelmäßig Touristen zu Gast, sagt Kretschmer. „Einheimische sind oft überrascht, weil sie viele Dinge nicht wussten, die sich doch so nah an ihren Wurzeln befinden. Gäste sind oft überrascht, welch schöner idyllischer Ort der Friedhof ist, auf dem man verweilen, entspannen, sich besinnen kann.“

Einen Lebensort stellen Friedhöfe außerdem für Tiere und Pflanzen dar. „Häufig weisen Friedhöfe einen alten Baum- und Strauchbestand auf, der vielen Tieren Lebensraum und Nahrung bieten kann“, erläutert Katharina Schmidt, Referentin für Stadtnatur beim Naturschutzbund (Nabu) in Hamburg. Tiere fänden auf Friedhöfen zudem Unterschlupf, da es dort in der Regel ruhig und ungestört zugehe. Schmidt betont: „Gerade in Städten sind Friedhöfe wichtige Grünräume.“

Ein hohes Potenzial für Stadtnatur hätten Friedhöfe, wenn der Mensch ungenutzte Flächen möglichst in Ruhe lässt und sich diese entwickeln können, sagt Schmidt. Durch naturnahe Pflege lasse sich die Artenvielfalt weiter fördern. „Das kann bedeuten, dass freie Flächen seltener gemäht werden.“

In Hamburg stelle aufgrund seiner Größe, der alten, gewachsenen Grünstruktur sowie vieler ungestörter Bereiche der Ohlsdorfer Friedhof einen wichtigen Lebensraum für Tiere und Pflanzen dar, sagt Schmidt. „Aber auch kleinere und klassischere Friedhöfe können einen wichtigen Beitrag zur städtischen Biodiversität leisten, indem naturnah gepflegt wird.“ Sofern sie dort Nistplätze vorfinden, könnten auf Friedhöfen viele Vogelarten vorkommen, darunter seltene und bedrohte Arten wie der Uhu in Ohlsdorf. „Auch für Amphibien, Fledermäuse und Insekten können Friedhöfe wichtige Lebensräume sein.“

Angehörige Verstorbener könnten durch die Grabbepflanzung einen Beitrag zur pflanzlichen Artenvielfalt leisten, sagt Schmidt. „Allerdings setzt die traditionelle Grabbepflanzung nach meinem Eindruck eher auf langlebige und pflegeleichte Zierpflanzen, die meist keinen großen Nutzen für die Tierwelt haben.“ Anders sehe es bei neuen Konzepten wie Grabstätten in Wildblumenwiesen aus. „Hiermit können neue Lebensräume geschaffen werden.“