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Frauen-Power

Vor allem Frauen waren es, die die Reformation in Steinfurt und Bentheim vorantrieben. Sie überzeugten ihre Männer

Die Gräfin kniet auf dem Boden. Unter Tränen beschwört Walburg von Brederode ihren Mann, sich dem reformatorischen Bekenntnis zu öffnen. Sie stammt aus den Niederlanden; dort hat die neue Lehre bereits Fuß gefasst. Walburgs Ehemann, Graf Arnold II. zu Bent­heim-Steinfurt, dagegen ist dem Katholizismus verhaftet.
„Schließlich schaffte es die unermüdliche Gräfin, ihren Mann zu überzeugen“, berichtet Historiker Christof Spannhoff vom Institut für vergleichende Städtegeschichte in Münster. Er hat sich eingehend mit der Reformation in Westfalen beschäftigt. „Für diese frühe Zeit ist man vor allem auf die Darstellung des Hermann Hamelmann angewiesen, der die Geschehnisse erst etwa 20 Jahre später in den 1560er Jahren festhielt und sich auf Erzählungen berief.“

Graf Arnold II. ließ sich die neue Lehre erklären

Nach Hamelmanns Überlieferung wies Graf Arnold II. seinen Hofkaplan Johann von Loen an, ihm die neue Lehre „klar und methodisch einwandfrei darzulegen“. So kam es, dass Graf Arnold II. zu Bentheim-Steinfurt im Jahr 1544 den gesamten Klerus seiner beiden Grafschaften einberief. Er teilte ihnen mit, dass sie künftig die „päpstlichen götzendienerischen Kulte“ abzuschaffen und die Lehre des Augsburger Bekenntnisses anzunehmen hätten.
Doch das brachte nicht den sofortigen Umschwung. Die lutherische Lehre hatte zwar
einige Anhänger gewonnen. Aber in Burgsteinfurt blieb die sogenannte Große Kirche im Besitz der katholischen Johanniterkommende. Nur in der Schlosskapelle und in der Kleinen Kirche wurden lutherische Gottesdienste gefeiert. „Die neue Lehre fand nur langsam Eingang in Burgsteinfurt“, weiß Spannhoff.
Erst in den 1560er Jahren ging es dort weiter voran. Graf Arnold II. starb 1553, seine Söhne traten die Regierung an – Everwin III. in Bentheim und Arnold III. in Steinfurt. Arnold III. heiratete 1561 Magdalena von Braunschweig-Lüneburg. Sie stammte aus streng lutherischem Haus. Im Ehevertrag war schriftlich festgehalten, dass sie „jederzeit einen Anspruch auf die Ausübung der Augsburgischen Konfession habe, in der sie aufgewachsen sei“, berichtet Chris­tof Spannhoff. Graf Arnold wurde dazu verpflichtet, einen Prediger anzustellen, der das „sacrament des Altars nach der einsetzung Christi under beiderley gestalt reichen und ihre beicht hören möge“. „Das lässt vermuten, dass Arnold III. möglicherweise noch dem Katholizismus anhing“, sagt der Historiker. „Auf jeden Fall war in Steinfurt noch keine offizielle Kirchenordnung erlassen worden, die das lutherische Bekenntnis festschrieb.“
Erst 1564 geschah Entscheidendes – durch die Initiative Magdalenas. Es war der 25. Januar, in der Großen Kirche in Burgsteinfurt wurde Messe gefeiert. Magdalena hatte den lutherischen Pfarrer Johannes Bodenburg aus Celle zum Superintendenten bestellt. Während des Gottesdienstes erschien sie mit ihm, ihren Räten, Amtsleuten, Dienern und dem Magistrat der Stadt Burgsteinfurt vor dem Altar. Nachdem der Priester den Platz verlassen hatte, trat der gräfliche Sekretär an dessen Stelle. Er fragte Magdalena von Braunschweig-Lüneburg, ob sie gewillt sei, die Kirche zu reformieren. Die Gräfin soll mit „zierlichen und bewegenden“ Worten darauf geantwortet haben. Sie beschrieb die aktuelle Lage als beklagenswert, die Gemeinde habe unter „den Papisten und derselben geübte Abgötterei“ zu leiden gehabt.

Der Graf selbst trat nicht in Erscheinung

Daraufhin verkündete der Sekretär, dass der gnädige Herr befohlen habe, alle priesterlichen Zeremonien abzuschaffen und dass das kirchliche Leben von nun an nach der Augsburgischen Konfession zu führen sei. Der Pastor habe sich vor Gott und der Obrigkeit zu verantworten. Pastor Johannes Bodenburg legte sein Bekenntnis zur lutherischen Lehre ab und wünschte der neuen Kirchenordnung und der Reformation Glück und Heil. Anschließend sangen alle Anwesenden das Lied „Nun bitten wir den heiligen Geist“. Warum der Graf selbst bei diesem wichtigen Ereignis nicht in Erscheinung trat, ist unbekannt.
„Es gibt die Legende, Magdalena sei auf einem Schimmel in die Kirche geritten – während der Messe“, erzählt Christof Spannhoff. „Aber das lässt sich nicht belegen und ist eher katholische Propaganda.“  Dass jedoch Frauen bei der Reformation in dieser Region eine große Rolle gespielt haben, das gilt als gesichert.

Infos im Internet: www.reformation-in-westfalen.de