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Frauen feiern – wozu?

Der ab diesem Jahr für das Land Berlin geltende Frauen-Feiertag am 8. März ist schnell beschlossen worden. Susanne Kahl-Passoth möchte im Titelkommentar Frauen hoch leben lassen. Aber sie hat auch ein mulmiges Gefühl, ob der Feiertag nicht nach hinten los geht und einige wirkliche “Frauenprobleme” auf der Strecke bleiben. Was halten Sie von dem neuen Feiertag? Schreiben Sie uns an redaktion@wichern.de

Frauen haben viel Anlass zum Feiern: Jubiläen für Wahlrecht und Ordination für Frauen, aber auch aktuelle Beschlüsse wie das Paritätsgesetz in Brandenburg oder den Frauentag in Berlin. Warum dann noch einen eigenen weiblichen Feiertag?

Von Susanne Kahl-Passoth

Es gab für uns Frauen in den letzten Monaten viele Anlässe zum Feiern. 100 Jahre Frauenwahlrecht: Frauen konnten sich am 19. Januar 1919 das erste Mal als Wählerinnen und Gewählte an der Wahl zur verfassungsgebenden Nationalversammlung beteiligen. Der Landtag in Brandenburg beschloss Ende Januar – also einhundert Jahre später – ein Paritätsgesetz, ein Schritt zur gleichberechtigten demokratischen Teilhabe von Frauen. Wenige Tage davor beschloss das Abgeordnetenhaus von Berlin, den 8. März zum Feiertag zu erklären. Auch für uns Frauen in der Kirche gibt es bedeutsame Daten in unserer Geschichte, an die es zu erinnern gilt: Im November letzten Jahres feierten wir 75 Jahre Ordination von Frauen. In wenigen Wochen erinnern wir an die völlige Gleichstellung von Frauen im Pfarramt: die Zölibatsklausel fiel 1974 weg und Frauen waren von keinem Arbeitsbereich im Pfarramt mehr ausgeschlossen. So konnten sie auch geschäftsführende Aufgaben übernehmen. Inzwischen haben wir mit einer steigenden Zahl von Frauen in Leitungsämtern in unserer Landeskirche zu tun. Allen drei Sprengeln steht beispielsweise eine Frau als Generalsuperintendentin vor. In der Leitung der Kirchenkreise sind wir allerdings von einer Parität noch weit entfernt. Den Initiatorinnen des Internationalen Frauentages, der 1921 erstmals am 8. März gefeiert wurde, ging es um die Gleichberechtigung von Frauen, um das Wahlrecht für Frauen und die Emanzipation von Arbeiterinnen. Wir Frauen sind nach Artikel 3 des Grundgesetzes gleichberechtigt, können wählen und gewählt werden. Die Situation der Arbeiterinnen hat sich Dank des Einsatzes von Gewerkschaften verändert. Warum also noch einen 8. März als Frauentag und dann noch als Feiertag? Es gibt grundlegende Verbesserungen, gibt Gründe zum Feiern zum Beispiel, wenn wir an die Frauen erinnern, die vor uns diese Fortschritte erkämpft haben. Aber wir dürfen nicht darüber hinwegsehen, das wir von einer tatsächlichen Gleichberechtigung noch ein gutes Stück entfernt sind, denken wir an die Unterrepräsentanz von Frauen in den Parlamenten und in Führungspositionen. Die Debatten der letzten Wochen zeigen auch, dass es gilt, aufmerksam zu sein, Rückschritten zu wehren. Es sind nicht nur wiederholt Äußerungen aus dem rechtspopulistischen Lager wie „Quoten nützen nur unqualifizierten, dummen, hässlichen und widerwärtigen Frauen“ oder „Frauen haben nichts im Beruf verloren“. Auch die Beschlüsse des Bundestages zum Paragrafen 219a StGB, Verbot von Werbung für einen Schwangerschaftsabbruch und als Kompromiss die Einstellung von fünf Millionen Euro für eine Untersuchung zu den Folgen von Schwangerschaftsabbrüchen, werfen die Frage auf, wem damit eigentlich gedient wird, was für ein Frauenbild dahinter steckt. Hier wird Information mit Werbung verwechselt. Welche Frau lässt sich für so einen schwerwiegenden Eingriff wie einen Schwangerschaftsabbruch werben? Der Paragraf 219a gehört ersatzlos gestrichen. Über die Folgen von Schwangerschaftsabbrüchen liegen bereits Untersuchungen vor. Der Verdacht, dass hier versucht werden soll, mit den Ergebnissen der Studie den Kompromiss zur Regelung des Paragrafen 218 erneut in Frage zu stellen, ist nicht von der Hand zu weisen. Die fünf Millionen wären besser ausgegeben für die Arbeit der unterfinanzierten und nicht ausreichend vorhandenen Frauenhäuser, denn die Zahlen betreffs häuslicher Gewalt sind nicht gesunken. Jede vierte Frau hat mindestens einmal in ihrem Leben körperliche oder sexuelle Gewalt durch den Partner erfahren.Der 8. März als Feiertag hat aber nur einen Sinn, wenn er dafür genutzt wird, mehr Aufmerksamkeit auf das zu richten, was noch fehlt für gleichberechtigte Teilhabe, für ein gewaltfreies Leben von Mädchen und Frauen in unserer Gesellschaft.

Susanne Kahl-Passoth ist Kirchenrätin im Ruhestand und Mitherausgeberin von „die Kirche“.