Großer Energieverbrauch und Millionen schlecht bezahlte Arbeitskräfte – Kate Crawford erforscht Schwachpunkte der KI-Industrie und sagt, wer sie ändern könne: die Politik.
Wissenschaftlerin Kate Crawford wehrt sich gegen ein allzu positives Image des boomenden IT-Zweigs Künstliche Intelligenz: “Die KI-Industrie basiert genauso auf der Ausbeutung von Ressourcen und billigen Arbeitskräften wie andere Industrie”, sagte die Autorin des Buches “Atlas of AI” der “Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung”.
Die KI-Branche werde gerne für einen Ausnahmefall gehalten. “Sie wurde irgendwie als saubere Branche angesehen. Dabei ist genau das Gegenteil der Fall. Deshalb sage ich, dass KI weder künstlich noch intelligent ist. Es ist eine der materiellsten Infrastrukturen, die wir als Spezies je gebaut haben”, betonte die Wissenschaftlerin am Data & Society Research Institute in New York.
Die Forscherin möchte mit der Vorstellung aufräumen, dass Künstliche Intelligenz immateriell und nur eine Reihe von mathematischen Funktionen, von neuronalen Netzen und Algorithmen in der Cloud sei. “Inzwischen wissen wir natürlich, dass diese Systeme einen enormen ökologischen Fußabdruck haben, und dieser Fußabdruck ist mit generativer KI dramatisch gewachsen: Eine KI-Suche verbraucht zehn- bis zwanzigmal mehr Energie als eine herkömmliche Internetsuche”, erklärte sie und ergänzte: “In einem Artikel wurde kürzlich vorgerechnet, dass eine durchschnittliche Interaktion mit ChatGPT, sagen wir zwanzig Antworten und Fragen, äquivalent dazu ist, einen halben Liter Süßwasser wegzukippen.”
Crawford verwies außerdem auf arbeitsrechtliche Probleme. Das KI-Training sei extrem arbeitsintensiv und binde mehrere Millionen Crowdworker. “Dabei geht es um mehr als nur um die Kennzeichnung von Daten. Diese Leute sind in vielen Fällen traumatisierenden Berichten und Bildern ausgesetzt”, sagte die australische Publizistin.
Zudem würden die Arbeiter sehr schlecht bezahlt: “Wir fanden heraus, dass kenianische Arbeiter für Open AI weniger als zwei Dollar pro Stunde verdienen.” Es werde immer schwieriger, Einblick in diese KI-Fabriken zu bekommen, weil die Mitarbeiter strenge Vertraulichkeit wahren müssten.
Das Buch “Atlas of AI” sei zwar 2021 vor dem Durchbruch von ChatGPT erschienen, aber es sei immer noch aktuell. Eins sei Crawford in den zwei Jahrzehnten ihrer Forschung klar geworden: “KI ist von vorn bis hinten Politik.” Wenn man ein KI-System trainiere, komme man nicht umhin, dass man es auch mit einer Weltanschauung trainiere. Die Ingenieure legten die Parameter einer Weltanschauung fest, und das sei eine politische Entscheidung. “Es gibt kein perfektes, neutrales System, ob es Ihnen gefällt oder nicht. Das bedeutet, dass wir uns große Sorgen darüber machen müssen, dass die Konzentration in der KI-Industrie so groß ist”, so Crawford.