Der Erzbischof von Goa trägt die Ehrentitel “Primas des Ostens” und “Patriarch von Ost-Indien”. Ob er sie bald gegen den eines “Patriarchen des Westens” eintauschen muss?
Sollten beim anstehenden Konklave die aufstrebenden Ortskirchen Asiens zum Zug kommen, so hat ein Anwärter mit einem besonders langen Namen Chancen: Kardinal Filipe Neri Antonio Sebastiao do Rosario Ferrao, Erzbischof von Goa. Der 72-jährige Inder ist Präsident der Bischofskonferenz seines Landes, zudem seit Jahresbeginn Vorsitzender der Föderation der Asiatischen Bischofskonferenzen (FABC). Er trägt die Ehrentitel “Primas des Ostens” und “Patriarch von Ost-Indien”. 2024 wurde er auch zu einem der beiden Vertreter Asiens im vatikanischen Synodenrat gewählt und gestaltet so die jüngsten Entwicklungen der katholischen Kirche auch auf kontinentaler und Weltebene an entscheidender Stelle mit.
Der für seine Bescheidenheit, Nähe zu den Menschen und geistliche Tiefe bekannte Ferrao stammt aus dem Dorf Aldona im Norden Goas, Indiens Zentrum des Katholizismus mit reichem Erbe aus der portugiesischen Kolonialzeit. Im Januar 1953 in eine tief religiöse Familie mit etlichen priesterlichen Verwandten hineingeboren, steuerte auch er früh eine geistliche Laufbahn an.
Schon als Zehnjähriger trat er ins “kleine Seminar” in Saligao ein und später ins Priesterseminar Rachol – wo er aber die Ausbildung schon nach vier Monaten wegen einer schweren Hirnhautentzündung unterbrechen musste. Dass er sie ohne bleibende Schäden überlebte, deutete man damals als wundersame Bestätigung seiner Berufung.
1979 zum Priester geweiht, folgten für Ferrao Jahre als Gemeindeseelsorger, als Dozent in seiner früheren Ausbildungsstätte in Saligao und als Beauftragter für geistliche Berufungen. Nach weiterführenden Theologie-Studien in Rom und in Brüssel wurde er 1994 Weihbischof in der Erzdiözese Goa und Daman, 2004 schließlich Erzbischof dort.
Papst Franziskus ernannte Ferrao 2022 zum Kardinal – eine Premiere in der 465-jährigen Geschichte Goas. Bereits damals leitete er seit drei Jahren Indiens katholische Bischofskonferenz für den lateinischen Ritus; als Nachfolger von Kardinal Oswald Gracias, den der Papst in den Kardinalsrat für seine Kurienreform holte.
In den vergangenen Jahren Goas zeigte sich Erzbischof als einer der eifrigsten, was die Umsetzung der Vorgaben von Franziskus hinsichtlich einer synodalen Kirche betrifft. Unverzüglich richtete er in der asiatischen Bischofsversammlung FABC eine Kommission zu diesem Zweck ein, startete in Indien einen landesweiten Konsultationsprozess mit 16 pastoralen Prioritäten wie Dalits, Migranten, digitale Technologien, Laien und Ökologie. Erst vor wenigen Tagen, kurz nach dem Tod von Franziskus, präsentierte Ferrao noch das Ergebnis: das Dokument “Pilger der Hoffnung – Den synodalen Weg erkennen”; als Wegweisung für die Kirche auf dem indischen Subkontinent.
In seiner gesamten bisherigen Laufbahn setzte sich Ferrao besonders für die Seelsorge von Familien ein; betonte die Bedeutung der Familie als Grundpfeiler der Gesellschaft; besuchte auch selbst regelmäßig Familien, Alte und Kranke und engagierte sich im Bildungsbereich. Er weiß um die Schwierigkeiten des interreligiösen Dialogs, der in seinem Land durch hindu-nationalistische Tendenzen erheblich erschwert wird.