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Fast jeder ist betroffen – Das hilft gegen Ticks wie Nägelkauen

Hand aufs Herz: Knirschen Sie im Wachzustand mit den Zähnen? Beißen Sie sich manchmal wie wild auf die Wange? Oder rupfen sie sich Haare aus, wenn niemand zusieht? Das tun viele Menschen – und man kann etwas dagegen tun.

Fast alle Menschen zeigen offenbar gelegentlich Verhaltensweisen wie Nägelkauen oder Auf-die-Lippen-beißen. 97 Prozent der Befragten gaben dies in einer repräsentativen Studie an, wie ein Hamburger Forschungsteam in der Zeitschrift “Psychologie Heute” (März-Ausgabe) schreibt. Leidensdruck durch sogenannte körperbezogene repetitive Verhaltensstörungen entsteht demnach bei knapp einem Viertel der Erwachsenen (24 Prozent).

Häufig laufe dieses Verhalten automatisiert ab, schreiben die Neuropsychologen Steffen Moritz, Stella Schmotz und Luca Hoyer. Der Hauptgrund dafür scheine zu sein, “dass Betroffene Stress oder Anspannung nach starken Gefühlen reduzieren wollen”. Allerdings sei das Wissen darüber auch im medizinischen Bereich lückenhaft, und nur etwa zehn Prozent der Betroffenen gäben an, sich schon einmal an eine Fachperson gewandt zu haben.

Viele Menschen schämten sich für derartige Zwangsstörungen, nicht zuletzt wegen Klischees wie etwa dem, “dass Nägelkauer willensschwach seien”. Das Verhalten als “Spitze des Eisbergs schwerer seelischer Probleme” zu betrachten, sei jedoch eine unbewiesene Annahme, betonen die Fachleute.

Allerdings könnten die Verhaltensweisen durchaus Schäden nach sich ziehen, beispielsweise Narben, brüchige Nägel oder kahle Stellen am Kopf. “Einige Betroffene essen ihre Haare nach dem Ausreißen, so dass sich ein Haarpfropf im Magen bilden kann”, schreiben Moritz, Schmotz und Hoyer.

Oft wirkten einfache Maßnahmen wie “eine liebevoll-konsequente Erinnerung der Eltern (der Partnerin oder der Freunde)” gegen das Verhalten, heißt es weiter. “Schelte oder gar Schläge führen eher zur Verstärkung oder zur heimlichen Ausübung.” Um Stress zu reduzieren, seien Entspannungsübungen hilfreich, und für Betroffene sei es wichtig, den Körper zu pflegen und mögliche Wunden so zu versorgen, dass kein neuer Anreiz etwa zum Aufknibbeln entstehe.

Die Autoren raten zudem zu Nachsicht mit sich selbst. Vorfälle könnten dazu beitragen, besser auf den Körper zu hören: “Was ist da gerade los, was stresst mich?” Auch eine gezielte Umlenkung von drängenden Handlungen könne sinnvoll sein, etwa die Hand zu überstrecken oder wie zum Gebet zu falten. Mitunter lasse sich das Bewegungsmuster auch durch ein liebevolles ersetzen, etwa durch sanftes Kreisen der Finger über die Knöchel.