Es ist so schön, getauft zu sein,
denn tut man keine Sünden.
Man taucht nur in das Tauchbecken rein
und tut Erleuchtung finden.
Diese vier Zeilen stammen als Refrain aus einem Lied der Gruppe „Torfrock“ aus dem hohen Norden Deutschlands von 1977. Er könnte auch aus dem umfangreichen Material stammen, das die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) den Gemeinden im Internet zur Verfügung gestellt hat, um bunte, vielfältige Tauffeste in diesem Sommer zu initiieren. „Taufe gestalten – Ideen und Inspirationen für alle, die taufen und Tauffeste organisieren“ lautet der Name der Initiative. Denn in immer mehr Familien bricht die einst selbstverständliche Tradition der Kindertaufe ab, verstärkt noch durch die Nachwirkungen der Pandemie.
Deutlich wird schon in der Einleitung, dass es darum gehen soll, die Hemmschwellen für Taufwillige so weit wie möglich zu senken. „Auch heute noch ist jede Taufe ein freudiges Ereignis“, wird da geworben. „Ob kleine Kinder getauft werden, Erwachsene oder Jugendliche vor der Konfirmation – durch das Sakrament der Taufe wird ihnen allen zugesprochen: Du gehörst zu Christus, Christus hat dich erlöst.“ Es geht also darum, Taufe als das bedingungslose Ja Gottes zu dem Täufling hervorzuheben – und um bunte Tauffeste als Gemeinschaftserleben.
Viel Unterstützung für die Tauf-Initiative
Dass in vielen Gemeinden der Wille vorhanden ist, den geringer werdenden Taufzahlen etwas entgegenzusetzen, bestätigt Claudia Kusch. Sie hat als EKD-Referentin für Perspektiven missionarischen Handelns wesentlich an dieser Initiative mitgearbeitet. „Wir wollten anregen und unterstützen – die Kompetenz selbst liegt dann vor Ort“, meint sie. Und sie freut sich, dass alle Landeskirchen hier mitmachen und sich gut 1000 Gemeinden und etliche regionale Zusammenschlüsse beteiligen. Sogar an Schulen gebe es Unterstützung der Initiative durch Religionslehrer.
Eine Karte auf der Internetseite der Initiative zeigt an, von wo überall Tauffeste an besonderen Orten, Taufseminare oder offene Glaubenskurse gemeldet wurden. Von dem Werbematerial wie Banner oder Plakate, das die Initiative den Gemeinden zur Verfügung stellt, seien die Einladungskarten zu örtlichen Veranstaltungen mit dem Aufdruck „Viele Gründe, ein Segen – deine Taufe“ der „absolute Renner“, erzählt Claudia Kusch.
Vielfalt an Tauf-Angeboten wichtig
„Der klassische Taufgottesdienst behält seine Bedeutung“, meint die Referentin. Doch die Chance bunter Tauffeste, möglichst außerhalb der Kirchenmauern und mit populärer Musik und einfacher Ästhetik, liege in ihrer Niederschwelligkeit. „Manche trauen sich nicht, sich in normalen Gemeindegottesdiensten taufen zu lassen, wenn sie dann allein vor der Gemeinde stehen.“ In der Gemeinschaft mit anderen Taufwilligen fällt es etlichen leichter – ebenso Menschen, die Sorge haben, dass ihr Lebensstil anstößig sein könnte. Zudem entfielen der Druck und damit die Kosten für eine Familienfeier bei solch einem Tauffest der Gemeinde. Und als eine besondere Tauferinnerung für die Gemeindeglieder stärkten sie auch die Gemeinschaft.
Auch die von manchen kritisch beäugten Pop-Up-Taufen – die Einladung, sich spontan taufen zu lassen –, werde von der EKD-Initiative unterstützt. Der Kritik daran hält sie entgegen, dass dieses Angebot erfahrungsgemäß von Erwachsenen genutzt werde, die sich schon länger mit dem christlichen Glauben auseinandergesetzt hätten – zumal die Taufe ja kein Abschluss sei, sondern ein Aufbruch in ein Leben als Christ.
Taufe wurde früher missverstanden
Schon für die ersten Christen war Taufe der Eintritt in ein Leben mit neuen Ge- und dann auch Verboten. Sie wurde später auch Zeichen der Unterwerfung ganzer Völker unter eine fremde Kultur. Taufe, das war nicht nur eine sehr ernste Angelegenheit, sondern auch geheimnisvoll, oft als ein magisches Ritual missverstanden. Und dies vor allem bei der Säuglingstaufe, die sich gegen die Glaubenstaufe von Erwachsenen durchsetzte, als das Christentum zur Staats- und Volksreligion wurde. Taufe als Ausdruck von Bußfertigkeit und Vergebung erwies sich da als erklärungsbedürftig.
Dabei half die Lehre von der Ur- oder Erbsünde, die auch schon beim Apostel Paulus anklang und dann immer weiter ausgebaut wurde: Seit Adam und Eva würde ihr Sündenfall von Geschlecht zu Geschlecht weitergegeben. Auch ein Neugeborenes stehe vom Beginn seines Lebens in dieser Reihe. Moderne, durchaus nachdenkenswerte Interpretationen dieser Lehre von der Erbsünde besagen, dass jeder Mensch in eine Welt hineingeboren werde, die durch Leid, Tod, Unrecht und Schuld geprägt sei.
Evaluation in ein paar Jahren wichtig
Somit werde auch jeder Mensch, und sei er noch so gut, in Zusammenhänge verstrickt, die ihn mitschuldig werden lassen, selbst wenn er selbst noch gar nicht eigenverantwortlich handeln könne. Zudem könne sich niemand aus eigener Kraft aus diesen Verstrickungen befreien. Also bedürfen alle Menschen der Erlösung, wie sie durch die Liebe Gottes in dem Heilswerk Christi den Menschen angeboten werde. Taufe heißt dann, diesem Erlösungswerk unterstellt zu werden.
Das Problem der Kirchen heute ist nun allerdings, dass dieses Erlösungsbedürfnis aller Menschen immer weniger geteilt wird. Ob die Taufe als fröhliche Segenshandlung und niederschwelliges Fest, wie sie von der EKD-Initiative vorgeschlagen wird, es bisher Ungetauften einfacher macht, persönlich Ja zu ihr zu sagen, soll, so Claudia Kusch, im September erhoben werden. Doch ebenso wichtig wäre nach ein paar Jahren zu erfahren, wie nachhaltig solche bunten Tauffeste und vor allem solche Pop-Up-Taufen sind. Denn dann haben inzwischen die neuen Gemeindeglieder erfahren, dass es auch einige Verpflichtungen gibt – wie die Kirchensteuer. Sind sie darauf vorbereitet, dass es nicht nur „schön ist, getauft zu sein“, wie es in dem oben zitierten Refrain von Torfrock heißt?