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“Es braucht ein Dorf”: Neues Miteinander in der Erziehung

Viele Mütter sind bestens vernetzt – und doch allein. Anja Krug-Metzinger zeigt, wie Isolation entsteht und warum man Mutterschaft neu denken muss, um echte Unterstützung zu schaffen.

Viele Mütter sind bestens vernetzt - und doch allein
Viele Mütter sind bestens vernetzt - und doch alleinImago / Michael Gstettenbauer

“400 Instagram-Follower, 200 Facebook-Freunde, drei WhatsApp-Gruppen nur für Mütter – und trotzdem hatte ich letzte Woche hohes Fieber und niemanden, den ich um eine Packung Paracetamol bitten konnte”: Das hat eine Mutter der Journalistin Anja Krug-Metzinger erzählt. Sie ist bei ihren Recherchen zu ihrem Buch “Gemeinsam statt einsam” immer wieder auf eine tiefe Einsamkeit bei Müttern gestoßen – aller Vernetzung in den sozialen Medien zum Trotz. Daher ist Krug-Metzinger zu dem Schluss gekommen: Etwas stimmt nicht mit der Art, wie diese Gesellschaft Mutterschaft organisiert.

Die Autorin fragt in ihrem Buch nach den Ursachen der Vereinsamung von Müttern heute und begibt sich auf Spurensuche. Sie hat nach eigenen Angaben Gespräche mit Müttern aus unterschiedlichen sozialen Schichten, Altersgruppen und Familienkonstellationen geführt. Ergänzend habe sie Einträge in Mütter-Foren und sozialen Medien ausgewertet sowie Gespräche mit medizinischen und psychologischen Fachkräften geführt.

Einsamkeit und Druck belastet viele Mütter

Was Krug-Metzinger aus den nächtlichen, teils verzweifelten Wortmeldungen in Mütterforen mitgenommen hat: “Je mehr wir über Mutterschaft zu wissen glauben, desto unsicherer scheinen sich Mütter in ihrer Rolle zu fühlen.” Denn: “Die Flut an Expertenwissen, Apps und Optimierungsstrategien hat die intuitive Sicherheit nicht gestärkt, sondern untergraben.”

Dass sich Mütter oft unsicher und einsam fühlen, dafür macht die Autorin auch eine familien- und frauenfeindliche Lebenswelt verantwortlich. Beginnend bei Wohnungen, die sie als abgeschlossene kleine Zellen sieht, die ein gemeinschaftliches Leben verhindern. Viele Großeltern, früher der Rettungsanker schlechthin aller jungen Eltern, haben derweil eine neue Rolle gefunden, die ständiges Kinderhüten nicht mehr vorsieht.

Mutterschaft heute: Lernen aus der Vergangenheit

War es vielleicht früher besser? Lässt sich aus der Vergangenheit lernen? Welche Modelle bietet die Wissenschaft? Aus Gesprächen mit Fachleuten schließt Krug-Metzinger, dass Menschen immer wieder neue Wege entwickelt haben, die Betreuung ihrer Kinder zu organisieren. Die moderne Wissenschaft belegt nach ihrer Ansicht: “Menschen sind auf ein soziales Netz angewiesen, um ihre Kinder erfolgreich großzuziehen.”

Also besser gemeinsam statt einsam: Dafür ist nach ihrer Meinung ein neues und koordiniertes Zusammenspiel von flexiblen Netzwerken aus familiärer und professioneller Betreuung nötig. Ihrer Meinung nach sind Mehrgenerationenhäuser und Familienzentren hilfreich, um gemeinsam zu leben und so einander Unterstützung anbieten zu können.

Eine wichtige Aufgabe übernehmen für Krug-Metzinger auch Familienhebammen: Sie seien weit mehr als medizinische Begleiterinnen junger Mütter, denn “sie fungieren als wichtige Vermittlerinnen im komplexen Netzwerk der Familienunterstützung.” Mit ihrer Erfahrung und ihrem Wissen über lokale Hilfsangebote können sie als “Leuchttürme” in der unübersichtlichen Landschaft der Unterstützungsmöglichkeiten dienen.

Mutterschaft und Fürsorge: Mehr Wertschätzung nötig

Die Autorin weist auch auf “Leih-Oma”-Initiativen hin, die die Idee großmütterlicher Fürsorge in moderne, selbstgewählte Beziehungen übersetzen. Sie bewertet diese Initiative als eine Win-win-Situation, bei der die Familien Unterstützung bekommen, während die Leihgroßeltern aktiv bleiben und eine sinnstiftende Aufgaben finden.

Sie sieht aber auch die Politik in der Bringschuld, die bessere Bedingungen für Familien schaffen soll. “Wir brauchen eine Politik, die die Familien in all der Vielfalt ihrer Formen ernst nimmt und fördert. Wir brauchen eine Wirtschaft, die freiwillig den Wert der Fürsorge anerkennt und honoriert.” Grundlage dafür sei eine “neue Vision des guten Lebens – eine Vision, die mehr auf Kooperation und Verbundenheit statt auf Konkurrenz und Isolation setzt”.