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Ersthelfer-Apps können Leben retten

Überleben dank App: Wenn Ersthelfer im Notfall per Smartphone alarmiert werden, sind sie deutlich schneller vor Ort als der Rettungsdienst. Doch das klappt bislang nur in manchen Regionen Deutschlands.

Es kann jederzeit passieren: am Arbeitsplatz, in der Bahn, im Restaurant. Ein Mensch liegt leblos auf dem Boden, atmet nicht mehr, kein Puls zu fühlen. Beim Herzstillstand zählt jede Sekunde. Nach nur vier Minuten ohne qualifizierte Hilfe können bleibende Schäden entstehen.

Ersthelfer-Apps wollen Zeitraum verkürzen, der bis zu rettenden Maßnahmen vergeht. Sie sorgen dafür, dass freiwillige Ersthelfer, die sich in der Nähe eines Unfallorts befinden, geortet und alarmiert werden. Idealerweise sind sie nach wenigen Minuten vor Ort und leisten Erste Hilfe, zum Beispiel mit einer Herzdruckmassage, bis die Rettungskräfte eintreffen. Damit sind die First Responder (so die englische Bezeichnung für Ersthelfer) eine wichtige Ergänzung in der Rettungskette.

Eine der ersten dieser Apps ging 2012 in Hamburg an den Start. Auslöser seien Anfragen der Politik gewesen, ein Kataster von Defibrillatoren zu erstellen, sagt Projektleiterin Petra Witt vom Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) Hamburg. Das leicht bedienbare Gerät analysiert den Herzrhythmus, schockt bei Bedarf das Herz und kann es so wieder in Gang bringen. Die App “Hamburg schockt” gibt einen Überblick über die Standorte von öffentlich zugänglichen Defibrillatoren. Rund 1.300 Geräte sind inzwischen aufgelistet, teils mit den Öffnungszeiten der Gebäude. Zudem können über die App die Rettungskräfte alarmiert werden – und eben die Ersthelfer.

Aktuell sind rund 400 Freiwillige registriert, die in den vergangenen zwei Jahren einen Erste-Hilfe-Kurs absolviert haben. Außerdem erklärt “Hamburg schockt” die wichtigsten Schritte einer Herzdruckmassage, damit diese auch von Ungeübten sofort durchgeführt werden kann. “Wenn ein Ersthelfer oder eine Ersthelferin schnell zur Stelle ist, eine Herzdruckmassage durchführen kann und dann noch ein Defibrillator zum Einsatz kommt, erhöht das die Überlebenschancen um eine Vielfaches”, sagt Witt.

Wie oft die App schon Leben gerettet hat, ist dem ASB aus Datenschutzgründen nicht bekannt. Heruntergeladen wurde die Hamburger Variante schon mehr als 40.000 mal. Und auch andere Städte und Bundesländer nutzen die Erfindung aus der Hansestadt – darunter Berlin, Frankfurt, Lüneburg, Leipzig, Kassel und Hannover sowie die Bundesländer Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern.

Darüber hinaus sind in Deutschland weitere Ersthelfer-Apps verbreitet, wie Corhelper, First AED, Mobile Retter, Katretter, Region der Lebensretter und Saving Life. In manchen Kreisen und kreisfreien Städten sind sie mit den Rettungsleitstellen verbunden. Sobald dann jemand bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand die 112 wählt, alarmiert die Leitstelle nicht nur den Rettungsdienst, sondern auch die per App georteten Ersthelfer.

Experten empfehlen, dass das überall so sein sollte. Ein Recherche des Südwestrundfunks zeigt jedoch: Nicht einmal die Hälfte aller Rettungsdienstbereiche hat eine First-Responder-App. Während in den Bundesländern Schleswig-Holstein, Saarland und Brandenburg flächendeckend First-Responder-Apps genutzt werden, gibt es in Thüringen keinen einzigen Rettungsdienstbereich, der eine App zur Alarmierung von Ersthelfenden nutzt. Zuständig sind je nach Bundesland die Kommunen oder die Innenministerien.

Nach Ansicht des Notfallmediziners Jan-Thorsten Gräsner vertun die Regionen ohne App eine große Chance zur Rettung von Menschenleben. Er wünsche sich eine flächendeckende Einführung in jedem Bundesland, sagt der Direktor des Instituts für Rettungs- und Notfallmedizin am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein.

Ein weiteres Problem sei, dass die verschiedenen Apps nicht untereinander kommunizieren könnten. Wer etwa bei Mobile Retter in Cuxhaven angemeldet ist, kann keinen Ersthelfer alarmieren, der bei Corhelper in Oldenburg registriert ist. “Es gibt zu viele Partikularinteressen durch die hohe Anzahl an Anbietern und inhomogene Voraussetzungen für App-Helfer”, sagt Gräsner.

Der Arbeiter-Samariter-Bund will dem ein Stück weit entgegenwirken, indem er “Hamburg schockt” und andere regionale Angebote zu einer einheitlichen App “ASB schockt” zusammenführt. Zudem sei eine Zusammenarbeit mit der App “Katretter” angestrebt, die weite Teile Berlins und Brandenburgs abdeckt, heißt es vom ASB-Bundesverband. In zwei Regionen würden zudem Verhandlungen mit den Leitstellen geführt. Ein kleiner, aber weiterer Schritt zu mehr Einheitlichkeit.