Im Sommer 1945 hatten die Kriegsgegner Deutschlands die 12 Jahre währende nationalsozialistische Barbarei niedergekämpft und beendet. Der Krieg war endlich vorbei; die unfassbaren Dimensionen des Grauens nicht einmal im Ansatz erfasst.
Potsdams Innenstadt lag in Trümmern. Im Sommer vor 79 Jahren berieten die Siegermächte im Schloss Cecilienhof über die Nachkriegsordnung. In der Stadt gab es keine jüdische Gemeinde mehr. Aufrechte Freigeister hatten ihr Widerstehen mit dem Verlust von Freiheit, Heimat oder sogar mit dem Leben bezahlen müssen. Es herrschte Trauer um die Toten, Not, Verzweiflung und Hunger. Und besonders bitter war die Erkenntnis: Die Verantwortung für diese furchtbare Saat lag bei uns.
Garnisonkirche: Versuch eines Neuanfangs
Anders als bei den westlichen Alliierten gab es in der Sowjetischen Besatzungszone keinen demokratischen Neuanfang. Die sowjetischen Besatzer setzten die kommunistische Herrschaftssicherung durch und bedienten sich dabei der Instrumente der stalinistischen Säuberungen. So wurde Erwin Köhler, der 1946 von der Stadtverordnetenversammlung gewählte Zweite Bürgermeister, gemeinsam mit seiner Frau Charlotte verhaftet, gefoltert und schließlich in dem berüchtigten Moskauer Gefängnis Butyrka erschossen.
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Am Ort der kriegszerstörten Garnisonkirche wagten Mitglieder der Zivilgemeinde einen auf Frieden und Versöhnung ausgerichteten Neuanfang. In die wieder aufbaufähige Kirche wurde 1950 eine Kapelle im Turm eingerichtet. Es entstand ein Ort des Gebets in schweren Zeiten, an dem Umkehr und Konversion im christlichen Sinn durchbuchstabiert wurden.
Garnisonkirche wurde 1968 gesprengt
Dieser behutsame Neubeginn hätte eine wirkliche Chance verdient. In einem demokratischen Rechtsstaat wäre sie gewährt worden. In der DDR entsprachen solche Ideen nicht den ideologischen Vorgaben. Nach einem Besuch von Walter Ulbricht in Potsdam wurde die Kirche 1968 gesprengt. Bemerkenswert bleibt, wie stark der Protest im In- und Ausland gegen die Tilgung der Kirche aus dem Stadtbild war. Vier mutige Stadtverordnete stimmten damals gegen eine Vorlage, die den Weg zur Sprengung ebnen sollte.
Gebhard Falk, promovierter Historiker und evangelischer Christ, war einer der vier Stadtverordneten. Er begleitete den geplanten Wiederaufbau nach der Friedlichen Revolution aktiv und mit großem Interesse. Neben ihm hat es eine kaum zu überschauende Schar von Personen gegeben, die mit ihrem Engagement dazu beigetragen haben, dass ein Wiederaufbau des Garnisonkirchturms denkbar und möglich wurde. Dass dieses Projekt sehr kontrovers diskutiert wird, kann als Markenzeichen einer demokratischen Gesellschaft gewertet und gewürdigt werden.
Nun endlich kann der abgebrochene Versuch einer kritischen Beschäftigung mit der eigenen Geschichte nach Kriegsende neu aufgenommen werden. Nach langer Planung und kontroversen Debatten wird am 23. August der wieder aufgebaute Turm der Garnisonkirche in Potsdam eröffnet. Interessierte Gäste können dann die 57 Meter hohe Aussichtsplattform besuchen. Sie ist über Stufen oder mit dem Aufzug erreichbar. Tickets für die sehenswerte Ausstellung „Glaube, Macht, Militär“ und die Aussichtsplattform sind ab sofort online erhältlich. Kapelle und Bildungsforum laden zu interessanten Veranstaltungen ein.
Stiftung Garnisonkirche: Ein Raum für Debatten
Am historischen Ort lädt nun ein Forum für Friedensarbeit zur Mitwirkung ein. Und es entsteht ein Debattenraum, der den hohen Wert unserer Demokratie ins Zentrum rücken wird. Beides mehr als nötig und herausfordernd. Beides braucht die aktive Begleitung und tatkräftige Unterstützung überzeugter Demokraten. Denn die Arbeit geht nun erst richtig los. Und natürlich ist es der Stiftung Garnisonkirche eine große Freude und Ehre zugleich, dass Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Tag vor der Eröffnung im Rahmen eines Festaktes das Wort ergreifen wird.
Martin Vogel ist Pfarrer, Oberkonsistorialrat und Beauftragter der Evangelischen Kirche bei den Ländern Berlin und Brandenburg.