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Einfach leben

Über den Predigttext zum Pfingstsonntag: Johannes 14, 15–19, 23b–27.

Predigttext
15 Liebt ihr mich, so werdet ihr meine Gebote halten. 16 Und ich will den Vater bitten und er wird euch einen andern Tröster geben, dass er bei euch sei in Ewigkeit: 17 den Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, denn sie sieht ihn nicht und kennt ihn nicht. Ihr kennt ihn, denn er bleibt bei euch und wird in euch sein. 18 Ich will euch nicht als Waisen zurücklassen; ich komme zu euch. 19 Es ist noch eine kleine Zeit, dann sieht die Welt mich nicht mehr. Ihr aber seht mich, denn ich lebe, und ihr sollt auch leben. (…) 23 (…) Wer mich liebt, der wird mein Wort halten; und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen. 24 Wer aber mich nicht liebt, der hält meine Worte nicht. Und das Wort, das ihr hört, ist nicht mein Wort, sondern das des Vaters, der mich gesandt hat. 25 Das habe ich zu euch geredet, solange ich bei euch gewesen bin. 26 Aber der Tröster, der Heilige Geist, den mein Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe. 27 Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht.

Eine großartige Verheißung steht hier im Johannesevangelium: „Ich lebe, und ihr sollt auch leben!“ (Vers 19) Großartig, voller Zuversicht, aber zugleich anspruchsvoll und herausfordernd. Denn damit werde ich zugleich gefragt wie denn mein eigenes Leben aussieht.

Auf alten Grabsteinen und in Todesanzeigen finden sich manchmal die Worte „Arbeit war das ganze Leben“. Das meint Jesus doch ganz sicher nicht, wenn er vom Leben spricht. Was aber, wenn die Realität des Lebens solche Sätze entstehen lässt?
Es ist ja nicht nur Arbeit, die viele Menschen maßgeblich prägt. Oft sind es lebensbedrohende Erfahrungen, die einen fragen lassen, was für ein Leben ich habe. Menschen, die die Diagnose einer lebensbedrohlichen Erkrankung bekommen. Menschen, die ihr Leben auf der Flucht riskieren, weil sie in ihrer Heimat durch Krieg, Hunger und Ausbeutung bedroht sind. Menschen, die um ihres Glaubens willen verfolgt werden. Sie alle eint die Sehnsucht nach gutem, erfülltem Leben.

Wenn ich heute Menschen im Alter frage, was ihre schönsten Momente im Leben waren, wiederholen sich manche Antworten: Freie Zeiten mit der Familie und Freunden; Zeiten, die nicht unter dem Druck von organisierten Treffen standen, sondern in denen geredet, gespielt oder einfach nur das Leben genossen wurde, solche Zeiten stehen für gutes Leben. Manchmal ist es auch ein Traum, der verwirklicht wurde. Der Moment, in dem nicht den Erwartungen entsprochen wurde, sondern das in die Tat umgesetzt wurde, was man eigentlich schon immer tun wollte.
Immer wieder hören wir von Menschen, die erfolgreiche berufliche Karrieren aufgeben, weil sie erkennen, dass Karriere nicht gleich Leben ist. Leben ist mehr als Arbeiten und die tägliche Routine erledigt zu haben.

Wenn Jesus sagt: „Ich lebe, und ihr sollt auch leben!“, dann redet er nicht von einem sorgenfreien Leben. Nach dem Johannesevangelium spricht er diesen Satz in dem Wissen, dass sein persönliches Leben sehr bedroht ist. Doch in dieser Bedrohung weiß er sich mit Gott verbunden. In der Gemeinschaft mit Gott kann ich mich unveränderbaren Lebensbedrohungen stellen, weil Gott versprochen hat: „Ich lebe, und ihr sollt auch leben!“

Deshalb kann er überzeugend sagen: „Ich lebe!“ Und er lädt dazu ein, in solcher Gewissheit das eigene Leben zu leben. Es zu gestalten durch die Kraft Gottes, es durch den Heiligen Geist zu wahrem, sinnerfülltem Leben werden zu lassen. Diese Leben gestaltende Botschaft von Pfingsten hat die Kraft, die Welt zu verändern. Das letzte Missionsdokument des Weltkirchenrates „Gemeinsam zum Leben“ entfaltet diese Kraft des Geistes als einen Geist der Mission, der Befreiung und der Gemeinschaft. Wenn Jesus verspricht „Ich lebe, und ihr sollt auch leben“, redet er von einer aktiven Gestaltung des Lebens in der Verbindung mit ihm. Pfingsten erfahre ich dort, wo ich nicht gelebt werde, weil ich das tue, was erwartet wird. Pfingsten erfahre ich, wenn ich der Kraft der Veränderung zutraue, auch mich selbst zu verändern.

In der Gemeinschaft mit anderen, in der Zeit gemeinsamen Glaubens und Handelns können von Menschen gemachte Lebensbedrohungen erkannt und beseitigt werden. Mein Leben ist in irgendeiner Form immer verbunden mit dem Leben anderer in unserer Welt. Ein erster Schritt ist, dies wahrzunehmen. Dem Geist von Pfingsten, dem Geist der Veränderung darf ich vertrauen, dass ein Gott gewolltes Leben möglich ist. Voraussetzung dafür ist, dass ich mein eigenes Leben ändere.