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Eine Leichtigkeit, die ihresgleichen sucht

Ihre Filme sind immer nah dran am Leben. Doris Dörrie arbeitet meist mit eigenen Geschichten und Drehbüchern, ihre Werke drehen sich um Beziehungen und Rollenklischees, Tod und Trauer, um die Liebe und den Verlust. Und oft sind es Komödien. „Mir geht es schon immer darum, gesellschaftliche Realität abzubilden und zu verstehen“, hat sie über ihren jüngsten Film „Freibad“ gesagt, der 2022 ins Kino kam. Am 26. Mai wird die Regisseurin und Autorin 70 Jahre alt.

„Freibad“ spielt so gut wie komplett in einem Schwimmbad, das ausschließlich für Frauen reserviert ist. Und er vereint vieles, was das Werk von Doris Dörrie auszeichnet: ausgefeilte Dialoge, präzise inszenierte Bilder und auch ein Spiel mit Vorurteilen. Denn „Freibad“ kommt als eine Culture-Clash-Komödie daher, zwischen deutschen Frauen in den Wechseljahren, die sich über einen Neopren-Burkini aufregen, und türkischen Frauen, die mit der deutschen Oben-ohne-Kultur nichts anfangen können.

Eine Culture-Clash-Komödie der ganz anderen Art ist der Film, der sie vor rund 40 Jahren bekannt machte: „Männer“ aus dem Jahr 1985, mit sechs Millionen Besuchern damals der große Überraschungserfolg im bundesrepublikanischen Kino. Da spielt Heiner Lauterbach einen Manager und Macho, der sich in die WG eines Aussteigers und Softies (Uwe Ochsenknecht) schmuggelt, um seine Frau zurückzugewinnen. Für Lauterbach und Ochsenknecht wurde der Film zur Startrampe ihrer Karrieren, und Dörrie fand sich auf der Titelseite des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ wieder.

Die Komödie ist sicherlich ihre Königsdisziplin. „Je ernster die Dinge werden, umso mehr müssen wir uns um Humor bemühen, das ist mein tiefstes Credo“, sagte sie einmal. Aber selbst ihre „ernsten“ Filme kommen mit einer Leichtigkeit daher, die ihresgleichen sucht – etwa die in Frankfurt spielende Krimiverfilmung „Happy Birthday, Türke“ aus dem Jahr 1991, inszeniert mit Anklängen an den Film Noir und einer gehörigen Portion Lakonie.

Ganz anders ist „Kirschblüten – Hanami“, der 2008 im Wettbewerb der Berlinale lief. Ein vom Tod gezeichneter Bayer (Elmar Wepper), der noch dazu den Verlust seiner Frau zu verkraften hat, reist nach Japan, um dort das Kirschblütenfest zu erleben. Was als Film über die Vergänglichkeit begann, entwickelt sich, ganz kitschfrei, zu einer Hommage an das Leben.

Über Japan, die japanische Kultur und den Buddhismus hat Dörrie einige Filme gedreht, ein kleiner Schwerpunkt in ihrem Werk. Fünf Spielfilme hat sie dort realisiert, darunter den in Schwarzweiß realisierten „Grüße aus Fukushima“, die Geschichte einer Freundschaft zwischen einer jungen Deutschen und einer eigenwilligen Japanerin im Katastrophengebiet von Fukushima. Übrigens auch ein ernster Film – aber mit viel Witz. Ziemlich unbekannt ist die seinerzeit mit kleinem Team und auf Video realisierte Komödie „Erleuchtung garantiert“, in der zwei Brüder nach Japan reisen, um in einem Zen-Kloster zur Ruhe zu kommen.

Seit 1987 schreibt Doris Dörrie auch Bücher, Kurzgeschichten und Erzählungen, außerdem Kinderbücher. An der Münchner Filmhochschule lehrt sie Creative Writing. Für Aufsehen sorgte 2019 ihr Buch „Leben, schreiben, atmen“ über autobiografisches Schreiben, in das sie viel Persönliches einstreute. In ihrem neuesten Buch geht es ums „Wohnen“.

Nach Charakteren aus ihrer Kurzgeschichtensammlung „Für immer und ewig“ entstand 1993 die Komödie „Keiner liebt mich“ mit Maria Schrader, die von existenziellen Ängsten geplagt wird. Auch einer von Dörries besten Filme, „Bin ich schön?“ aus dem Jahr 1996, beruht auf ihren eigenen Geschichten: ein Multipersonen-Film um Menschen zwischen Deutschland und Spanien, die an Wendepunkten ihres Lebens stehen. Bei den Dreharbeiten in Almeria starb ihr erster Ehemann, der Kameramann Helge Weindler, an einer Hirnhautentzündung. Tochter Clara, geboren 1989, war damals noch ein Kind.

Heute lebt Doris Dörrie mit ihrem Partner, dem Filmproduzenten Martin Moszkowicz, in München und Oberbayern. In München hat die gebürtige Hannoveranerin auch studiert, an der Hochschule für Fernsehen und Film, und 1976 ihren ersten Film gedreht: die Doku „Ob’s stürmt oder schneit“ über die oberbayrische Kinobesitzerin Maria Stadler. In dieser Zeit hat Dörrie unter anderem als Gästebetreuerin für die Hofer Filmtage gearbeitet, damals ein Zentrum des jungen deutschen Films. „Die Hofer Filmtage wurden meine wahre Filmhochschule“, hat sie einmal geschrieben.

Zurzeit arbeitet sie an dem Projekt „Frau Winkler verlässt das Haus“. Da geht es um eine Tochter, die mit der Pflege ihrer Mutter vollkommen überfordert ist – und ihr einen Pflegeroboter vor die Nase setzt. Dass aus der anfänglichen Ablehnung so etwas wie Freundschaft wird, klingt nach einem typischen Doris-Dörrie-Kniff. Und das Altern nach einem Thema, das nah dran ist am Leben.