1943 soll ein ungarischer Gefreiter im Auftrag der Wehrmacht Partisanen in der Sowjetunion aufspüren – und gerät bei der Besetzung in einen Gewissenskonflikt. Ein Drama nimmt sich viel Zeit für seine Geschichte.
Unter den Bedingungen des Krieges gibt es keine harmlosen Bewegungen. Das Floß, das im Winter 1943 über den breiten Fluss gleitet, hat diese Tour mit Sicherheit schon etliche Male zurückgelegt, doch in diesen Zeiten birgt jeder Standortwechsel ein Risiko. Die beiden Männer können so leise sein, wie sie wollen – sie werden schließlich doch vom Ufer aus entdeckt und mit einem Befehl zum Anlegen gezwungen.
Der Trupp Soldaten, der sich dem Floß nähert, ergreift alsdann die Gelegenheit und häutet und zerschneidet den toten Elch, den die Flößer transportiert haben, in kleine Stücke, bis nur noch das Skelett übrig ist. Noch fällt kein Wort, doch die Fronten steckt “Das Licht in den Birkenwäldern” – am 23. April ab 23.50 Uhr auf Arte – bereits mit diesem Beginn ab: hier die Ausgeplünderten ohne reelle Chance auf Gegenwehr, dort die aus Ungarn stammenden Soldaten. Die haben zwar durch ihre Waffen für den Augenblick die Oberhand, wirken aber psychisch nicht weniger am Ende als die gebeutelten Einwohner der besetzten Sowjetunion.
Der ungarische Filmemacher Dénes Nagy greift in seinem Spielfilm-Debüt einen wenig bekannten Aspekt des Zweiten Weltkriegs auf. Eine Texttafel vor Beginn des Films klärt darüber auf, dass die deutsche Wehrmacht von 1941 bis 1944 in der Sowjetunion von 100.000 Soldaten aus Ungarn unterstützt wurde. Im Zentrum von “Das Licht in den Birkenwäldern” steht eine der Einheiten, die Partisanen und deren Helfer in den verstreuten Dörfern aufspüren sollen.
Nagy zeigt ihr Vorgehen als eine routinierte Aktion des gewaltsamen Eindringens in ein Dorf, wo die Bewohner aus ihren Häusern geholt, aufgereiht und angeschnauzt werden. Die Kamera von Tamás Dobos nimmt den Blick der Befrager auf und gleitet über die Gesichter der Bauern, um hinter deren verängstigtem Ausdruck die Wahrheit über die Partisanen-Gefahr zu ergründen.
Aber auch die verdreckten, abgezehrten und müden Gesichter der Ungarn rücken ins Bild. Männer, die kaum weniger verunsichert wirken als die Menschen ihnen gegenüber. Zwar nutzen einige der Vorgesetzten ihre Position aus, sichern sich den Löwenanteil der kargen Vorräte im Dorf und demütigen einen jungen Mann, nachdem er versucht hat, Kartoffeln beiseitezuschaffen.
Doch mit dem Gefreiten Istvan Semetka tritt eine Figur in den Fokus des Films, die einen Weg der Deeskalation und Milde einschlägt: An den Übergriffen seiner Befehlshaber beteiligt er sich nicht, stattdessen sucht er nach Verbindung mit den Dorfbewohnern; die Bestrafung zweier säumiger Wachen führt er zwar befehlsgemäß aus, hält dabei aber ihr Leiden so gering wie möglich. Als der Trupp schließlich weiterzieht und im nächtlichen Wald von den Partisanen angegriffen wird, sterben etliche der Soldaten – und Semetka ist mit einem Mal der Ranghöchste.
Doch mehr als Gesten des Mitgefühls kann er den Menschen aus dem Dorf nicht erweisen, die nach der Attacke dem Vergeltungstrieb der Besatzer ausgeliefert sind. Dass die Partisanen mittlerweile auch den Dorfvorstand als “Verräter” getötet haben, hält die Ungarn nicht davon ab, jeden weiteren Widerstandsgeist eisern unterdrücken zu wollen.
Dénes Nagy inszeniert konzentriert und ruhig, ganz den sich vorsichtig vortastenden Figuren angeglichen, wobei er zwischen Totalen der Landschaft und hautengen Nahaufnahmen wechselt. Sein Ansatz ist naturalistisch, insbesondere in der Farbpalette des Films, der sich in den braunen, grünen und grauen Tönen von Wäldern, Erde und Schlamm entfaltet und selbst in den Nachtszenen auf künstliches Licht verzichtet. Die daraus resultierenden visuellen Orientierungsprobleme für das Publikum nimmt der Film, dem es auf eine ungeschminkte Kriegsdarstellung ankommt, in Kauf.
In “Das Licht in den Birkenwäldern” stehen nicht nur die Ungarn als Kriegsführende (und Kriegsverbrecher) im Fokus, sie agieren auch fast durchweg autonom von der Wehrmacht. Was die Männer dabei im Einzelnen antreibt oder innerlich aufwühlt, lässt der Film im Dunkeln, da in den ohnehin kargen Dialogen jede Reflexion der historischen Zusammenhänge unterbleibt; ohne die knappe anfängliche Erklärung wäre man als Zuschauer ganz auf Vorwissen angewiesen. Zumal die Charaktere überwiegend nur skizziert werden und selbst über die Hauptfigur nur wenige Details zu erfahren sind.
Damit entgeht Nagy in seinem stilistisch konsequenten Film nicht völlig der Gefahr, die spezifischen Umstände hinter dem Handeln der Figuren zu verschleiern und zu Gunsten einer etwas vagen Lektion über den kurzen Weg des Menschen zur Grausamkeit zu verdrängen. Istvan Semetka agiert zwar sparsam und ohne dass er Befehlen allzu offen zuwiderhandelt, doch an seinem Schmerz über die Gräueltaten und an seiner Ablehnung der Gewalt kann kein Zweifel bestehen.