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Ein Impressionist wollte er nicht sein

Seine Ballettgemälde machten ihn schon zu Lebzeiten berühmt. Doch privat stand Edgar Degas eher im Abseits. Am Pariser Künstlerleben nahm er kaum teil. Vor 100 Jahren starb der Maler erblindet und vereinsamt

Für gewöhnlich wird er zu den Impressionisten gezählt. Doch Edgar Degas mochte diese Etikettierung nicht. Zwar pflegte er eine Zeit lang freundschaftliche Beziehungen zu Kollegen wie Eduard Manet, Claude Monet oder Auguste Renoir, ein paar Mal stellte er auch zusammen mit ihnen aus. Aber dann trennten sich ihre Wege. Degas war ein Einzelgänger. Und so starb er auch vereinsamt am 26. September 1917 in Paris.

Die Werke großer Meister studiert

Anders als die übrigen Impressionisten zog es Degas nicht mit Pinsel und Staffelei ins Freie. Er malte lieber im Atelier. Vom spontanen Festhalten irgendwelcher Impressionen hielt er wenig, wie er einmal selbst bekannte: „Es hat nie eine weniger spontane Kunst gegeben als die meine. Was ich mache, ist das Resultat des Nachdenkens und des Studiums der großen Meister.“ Als Vorlagen dienten ihm Skizzen, die er vor Ort angefertigt hatte, nicht selten auch eigene Fotografien. Die Bildkomposition aber, selbst das vielgerühmte Spiel mit Licht und Farben, entstand im geschützten Raum des Ateliers.
Dennoch dominieren in Degas‘ Werk Szenen aus dem Alltag. Er malt feine Pariser Damen bei ihrer Freizeitgestaltung: auf der Pferderennbahn, im Theater, im Café. Aber er portraitiert auch Frauen am anderen Ende des sozialen Spektrums: Wäscherinnen, Büglerinnen, Prostituierte. Berühmt ist Degas vor allem für seine Ballettstudien geworden. Mehr als 200 Bilder befassen sich mit diesem Thema. Und auch hier steht der Alltag im Vordergrund. Nur wenige Bilder zeigen Ballettaufführungen. Viel spannender erschien dem Maler der Blick hinter die Kulissen, in Garderoben und Probensäle.
Und noch etwas unterschied Degas von etlichen Zeitgenossen: Sein Privatleben sorgte nicht für Aufsehen. Frauengeschichten gab es keine bei ihm, was ab und an für Spekula­tionen sorgte. Doch auch von intimen Kontakten zu Männern wusste niemand zu berichten. Überhaupt sind von Degas‘ Privatleben nur Eckdaten bekannt: Als Spross einer Adelsfamilie teils italienischer, teils US-amerikanischer Herkunft wurde er 1834 in Paris geboren. Seinem Stand entsprechend besuchte er das renommierte Collège Louis-Le-Grand, ehe er sich auf Wunsch des Vaters dem Jurastudium zuwendete. Doch für die Juristerei war er nicht geschaffen. Er wollte Maler werden und wechselte deshalb an die Ecole des Beaux Arts. Wohl fühlte er sich aber auch dort nicht. Lieber kopierte er in Pariser Museen alte Meister.
Nach einem Jahr verließ er die Kunsthochschule, um sich autodidaktisch fortzubilden. Als klassischer Bildungsbürger reiste er nach Italien, um sich im Land der Künste Inspirationen zu holen. Zurück in Paris versuchte er sich an der Königsdisziplin, der Historienmalerei. Doch Erfolg war ihm nicht beschieden. Und hier kommen doch die Impressionisten ins Spiel. Von ihnen angeregt, wandte sich Degas von der großen Form ab und dem Pariser Alltagsleben zu.
Auch wenn Degas heute vor allem für seine Pastellgemälde berühmt ist – er war in vielen Stilen zu Hause: Er zeichnete und malte in Öl, er experimentierte mit der Druckgrafik und schuf – was erst nach seinem Tod bekannt wurde – eine Vielzahl von Skulpturen. Zumal in seinen letzten Lebensjahren, als sein Augenlicht immer schwächer wurde, bot ihm die Plastik die Möglichkeit, dennoch weiterhin künstlerisch tätig zu sein.

In der Bildgestaltung ein Wegbereiter der Moderne

Berühmt ist Degas auch für seine innovative Bildkomposition. Im Gegensatz zur klassischen Lehre, rückte er die zentralen Figuren seiner Gemälde gerade nicht in deren Zen­trum. Manche Figuren werden durch den Bildrand regelrecht abgeschnit-ten, was den Werken eine besondere Spannung verleiht. Hier kann Degas auch als Wegbereiter der Moderne gelten – auch wenn er sich selbst so gerne auf die alten Meister berief.