Auch wenn es unwichtig sein sollte – so lässt sich die Geschichte des US-Amerikaners Brach Jennings nicht ohne seine Homosexualität erzählen. Das Ringen mit Gott, die Entdeckung der „Hoffnungstheologie“ Jürgen Moltmanns, Umzug von Chicago nach Tübingen, und jetzt wird er Pfarrer der Evangelischen Landeskirche in Baden.
Jennings ist ein hochgewachsener Mann, manchmal scheint er gleichzeitig in verschiedene Richtungen zu schauen. Als Kind in Illinois wurde er katholisch getauft, erzählt er in seinem Studierzimmer in Pforzheim. Später kam er über einen Freund und Musik zur Evangelisch-methodistischen Kirche. „Ich habe immer an Gott geglaubt“, betont Jennings auf Deutsch. Aber unbewusst wusste er schon seit seinem zwölften Lebensjahr, dass eine Ehe mit einer Frau nicht sein Lebensglück verkörpern würde.
„Es war arg hart“, sagt Jennings. Es verfolgte ihn, dass Homosexuelle in der Hölle schmoren sollten. „Ich habe so viel mit Gott gerungen.“ Daher ging er zeitweise auf Abstand zur Kirche, machte einen Bachelor in Musik und Geschichte. 2010 starb sein Stiefvater unerwartet an einem Herzinfarkt. „Die Konfrontation mit dem Tod machte meinen Glauben wieder stärker“, sagt der 36-Jährige.
Nun trat er in die Evangelisch-Lutherische Kirche in den USA ein. „Ich wusste, dass Homosexuelle dort eingeladen sind“, erklärt er. Eine Pfarrerin ermutigte ihn, dass er Theologie studieren könnte und sollte. Jennings ging nach Kalifornien, widmete sich der Kirchenlehre und entdeckte seine Begeisterung für die Systematische Theologie – die kritische Auseinandersetzung mit dem christlichen Glauben im Heute, wie Jennings es definiert.
Dabei hatte er drei Sternstunden: Zunächst entdeckte er 2010 Martin Luthers Theologie des Kreuzes, in der Gott sich im Leiden des gekreuzigten Jesus Christus offenbart. Dann stieß er 2013 auf die „Theologie der Hoffnung“ des Tübinger Theologen Jürgen Moltmann. In diesem Werk erläutert Moltmann, dass ein Wandel ausbeuterischer politischer Systeme möglich ist durch die Hoffnung, die sich aus der Auferstehung des gekreuzigten Christus ergibt.
Und 2014 fiel Jennings das Werk des amerikanischen Geistlichen James Cone (1938-2018) in die Hand. Darin plädiert Cone für Gottes Solidarität mit den unterdrückten Schwarzen in den Vereinigten Staaten und den Unterdrückten weltweit aufgrund des gekreuzigten und auferstandenen Jesus. Cone gilt als Begründer der „Schwarzen Befreiungstheologie“.
„Diese Werke prägen mich“, sagt Jennings. „Seitdem kann ich besser mit Gott ringen – um Fragen zu Leid und Hoffnung.“ Jennings legt Wert darauf, dass seine Mentoren im akademischen Leben nicht nur Weiße gewesen sind, sondern auch „People of Color“. „Ich spüre eine starke Solidarität gegenüber “People of Color„, weil sie ebenfalls Leid erfahren haben“, sagt er.
Eine Mentorin etwa ist die Chicagoer Theologin Linda Thomas, die als „black womanist theologian and anthropologist“, die Erfahrungen und Perspektiven von schwarzen Frauen erforscht. Sie riet Jennings bei Moltmann zu promovieren. „Und ich sagte: Du bist verrückt – Moltmann ist 92 Jahre alt“, so Jennings.
Aber die Idee war da: Es folgten E-Mails zwischen Chicago und Tübingen, Telefonate und Besuche. Und es klappte: Moltmann nahm Jennings als Doktoranden an. Die Promotion bei Moltmann, einem der bedeutendsten Theologen des 20. Jahrhunderts, sei die größte Ehre seines Lebens, sagt Jennings. Moltmann schreibt im Dissertationsgutachten, dass er den Doktoranden annahm, weil er mit Cone befreundet gewesen sei.
Jennings schlägt in seiner Dissertation „Transfiguring a Theologia Crucis through James Cone“ eine neue Kreuzestheologie durch Cone vor und analysiert „zeitgenössische Situationen der globalen Unterdrückung“. Im Oktober 2023 erlangte er die Doktorwürde.
Wegen der offenen Haltung gegenüber Homosexuellen und der ökumenisch engagierten Theologie in Baden hat Jennings danach ein Vikariat bei der Evangelischen Landeskirche in Baden begonnen, seine Lehrgemeinde ist die Stadtkirche Pforzheim. Im kommenden März wird er ordiniert. Danach will er weiter als badischer Pfarrer wirken.