Sonntag: Psalm 119, 161-176
Montag: Offenbarung 16, 1-9
Dienstag: Offenbarung 16, 10-16
Mittwoch: Offenbarung 16, 17-21
Donnerstag: Offenbarung 17, 1-6
Freitag: Offenbarung 17, 7-14
Samstag: Offenbarung 17, 15-18
Ein Tempel im Himmel, eine sprechende Opferstätte und fliehende Inseln. Wer einigermaßen im Deutschunterricht aufgepasst hat, nimmt den Textzusammenhang von Apk 16-17 als eine poetische Bildsprache wahr, die gänzlich missverstanden wäre, würde man sie als eine quasiempirische Vorhersage zukünftiger Ereignisse auffassen. Darum geht es den Enthüllungen des Johannes gerade nicht. Sein Text ruft zum Umdenken auf und tröstet mit der Zuversicht, dass Gott (es) richten wird.
Umdenken (metánoia) ist der Leitgedanke der Offenbarung mit Blick darauf, was Menschen angesichts aller Bedrückung und allen politisch-wirtschaftlichen Machtmissbrauchs großer Imperien wie das babylonische oder das römische Reich praktizierten und heutige politisch-wirtschaftliche Machtzentren weiter praktizieren. Sie nehmen für ihre eigene Gewinnmaximierung millionenfachen Hungertod in Kauf und verdienen Unsummen an Kriegen. Die entsetzte Klage, die der Abschnitt Apk 16-17 poetisch zum Klingen bringt, besteht darin, dass nicht nur die Machthabenden der Machzentren, sondern ihre zahlreichen Nutznießer nicht zum Umdenken bereit sind, auch nicht angesichts der bereits geschehenen Vorzeichen des Gerichts Gottes (Kap 6-11) und seiner Durchführung (Apk 16-17). Selbst im Gericht, das metaphorisch mit der Ausgießung der Zornesschalen inszeniert wird, gäbe es noch die Möglichkeit des Umdenkens, aber sie klagen lieber Gott an, reden sogar schädlich über ihn, anstatt Selbst- und Machtkritik zu üben.
Was für ein aktueller Text! Wo bleibt das konsequente Umdenken heute angesichts der tödlichen Auswirkungen unseres rücksichtslosen, über Leichen gehenden, zerstörerischen globalen Kapitalismus? Dass der Reichtum Europas auf dem Blut Amerikas und Afrikas gebaut wurde und keine Regierung bereit war und ist, dafür und für die Folgen gnadenloser Ausbeutung von Mensch und Natur die Verantwortung zu übernehmen, sondern sie vielmehr die „Festung Europa“ von Söldnern privater Unternehmer wie Frontex abschirmen lassen, zeigt, wie recht Johannes mit seiner Analyse unmenschlichen Machtmissbrauchs hat. Was für ein hellsichtiger Text!
Und doch gerät er nicht in Verzweiflung und Pessimismus, sondern schreibt vor 2000 Jahren seine Enthüllungen, die auf der Frohbotschaft der Auferweckung des Gekreuzigten aufbauen und weckt die Zuversicht, dass Umdenken möglich ist, dass es nicht zwangsläufig so kommen muss, wie er es bildlich kommen sieht, und dass schon gar nicht Gott für all das Schreckliche verantwortlich zu machen ist, was Menschen einander antun. Gott richtet: Er richtet uns aus auf den Weg des Umdenkens und er hat uns so gemacht, dass wir umdenken können. Das ist die Enthüllung des Apokalyptikers!