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„Die AfD steht für politische Willkür“

Arm in Arm mit den Mächtigen, dem Zeitgeist angebiedert, mit dem DDR-System verbrüdert – so stellt die AfD die Evangelische Kirche in ihrem Kirchenpapier „Unheilige Allianz“ dar. Heinz-Joachim Lohmann, Studienleiter für Demokratische Kultur und Kirche im ländlichen Raum, sieht in den Worten der rechtspopulistischen Partei einen Spaltungsversuch. Zwischen guten einfachen Gläubigen und schädlichen Eliten.

Mehrere Fraktionen der Alternative für Deutschland (AfD) kritisierten in einer Veröffentlichung unter dem Titel „Unheilige Allianz“ die Evangelische Kirche in Deutschland. Ein Kommentar zu diesem politischen Papier

Von Heinz-Joachim Lohmann

Die Alternative für Deutschland (AfD) sieht eine über Jahrzehnte reichende Verschwörung eines linksgrünen Doktrinarismus im öffentlichen Raum am Werk. Dieser linksgrüne Doktrinarismus steht ihrer Meinung nach in einer Reihe mit dem Nationalsozialismus und der DDR-Diktatur. Er habe seine Wurzeln in den Thronen des Kaiserreiches.Dementsprechend hält Björn Höcke die AfD für „die letzte evolutionäre Chance für unser geliebtes Vaterland“. Der Brandenburger Landesvorsitzende Andreas Kalbitz ergänzt: „Danach kommt nur noch ‚Helm auf!‘“. Der rheinland-pfälzische Landesvorsitzende Uwe Junge sagt: „Der Tag wird kommen, an dem wir alle … Aktivisten der Willkommenskultur im Namen der unschuldigen Opfer zur Rechenschaft ziehen.“ Diese Worte zeigen, was kommt, wenn die AfD entsprechende Mehrheiten erringt: Abrechnung mit der Vergangenheit, politische Willkür, Knast für die Verantwortlichen. Die AfD steht für Umsturz und Machtübernahme.1933 übernahm eine Verbrecherbande mit etwas mehr als 44 Prozent der Stimmen die Herrschaft über das Land. Ihr folgte eine nationalistische Elite aus Verwaltung, Polizei, Justiz und Kirche und wurde zu ihren willfährigen Vollstreckern. Das Ergebnis waren Konzentrationslager, Willkürherrschaft und Krieg.2019 verfügt die Bundesrepublik Deutschland über eine an Rechtsstaatlichkeit orientierte Polizei, Verwaltung, Justiz und Kirche. Deshalb darf die AfD an Wahlen teilnehmen, Versammlungen und Demonstrationen durchführen, ihre Einstellungen vertreten und für ihr Programm werben. Das Recht auf gesellschaftliche und politische Akzeptanz ergibt sich dadurch nicht. Darüber hinaus bleibt sie den Regeln des Rechtsstaates unterworfen und muss eine kritische öffentliche Berichterstattung hinnehmen.Als besondere Gegnerin identifiziert die AfD die Evangelische Kirche in Deutschland. Ihr wirft sie vor, stets im Bündnis mit dem Zeitgeist und den Mächtigen zu stehen und sich in besonderem Maße dem linksgrünen Doktrinarismus verschrieben zu haben.Ihre heutigen Standpunkte hat sich die Evangelische Kirche in einem langen Prozess erarbeitet. Sie musste sich auseinandersetzen mit ihrer engen Verbindung mit der wilhelminischen Monarchie, deren Ideen- und Zielgeber sie einst war. Sie erkannte ihr Versagen gegenüber der Arbeiterbewegung und beim Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Der Weimarer Republik verweigerte sie die Anerkennung und klammerte sich stattdessen an nationalistische Träume, die sie empfänglich machte für die Unterstützung der nationalsozialistischen Diktatur. Mit dem Stuttgarter Schuldbekenntnis 1945 stellte sie sich der Verantwortung und brach zugleich mit der Vergangenheit.Die Sünde von 1919 bestand in der Aufrechterhaltung der Verwechslung des Vaters Jesu Christi mit einem deutschen Nationalgott. Zu diesem nationalen Götzen möchte die AfD die Evangelische Kirche wieder zurückführen. Wenn Christoph Berndt, der Wortführer von „Zukunft Heimat“ und auf Platz zwei der Kandidatenliste der AfD für den Brandenburger Landtag, von der „gottverlassenen Amtskirche“ spricht, die das Land verloren gehen lassen hat, dann unterstellt er diese Verbindung von christlichem Glauben und nationaler Identität.Dagegen haben wir gelernt, das Neue Testament vom Brief des Apostel Paulus an die Gemeinden in Galatien her zu lesen: „Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus“ (Galater 3,28). Wir ergänzen das durch Matthäus 25,40: „Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“ Darüber hinaus vertrauen wir auf die Vision von Micha 4,3-4: „Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen machen und ihre Spieße zu Sicheln. Es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen. Ein jeder wird unter seinem Weinstock und Feigenbaum wohnen, und niemand wird sie schrecken.“ Die Evangelische Kirche bekennt sich zum christlichen Glauben als einer völkerverbindenden Kraft, die die Schwachen im Blick hat und auf ein Reich des Friedens und guten Zusammenlebens hofft.Die AfD wirft der Evangelischen Kirche vor, sich vor allem gegen Rechtsextremismus zu positionieren, während sie nichts gegen Linksextremismus und Islamismus unternimmt.Das Engagement der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) gegen Rechtsextremismus erfolgte unter dem Eindruck der Serie rechtsextremer Gewalt seit Anfang der 1990er Jahre. Mehr als 20 Menschen starben in Brandenburg durch Angriffe von Tätern aus dem neonazistischen Bereich. Die rote Linie in der Bewertung des Rechtsextremismus bildet der Begriff der Menschenfeindlichkeit. Als menschenfeindlich gilt, wer andere „aufgrund ihrer Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität“ herabwürdigt, diffamiert oder bedroht. Die Kategorie „Menschenfeindlichkeit“ ist weder dem rechten noch dem linken Spektrum zuzuordnen. Antisemitismus ist in allen Lagern vorhanden und wird in den Verfassungsschutzberichten auch so beschrieben. Unbestreitbar bleibt die Mordlust der Rechtsextremen seit 1990, von der sich die AfD nicht glaubwürdig distanziert.Die AfD wirft der Evangelischen Kirche vor, sich mit dem DDR-System verbrüdert zu haben.Die Geschichte der Evangelischen Kirchen in der DDR ist geprägt vom Ende vieler Selbstverständlichkeiten. Mitte der 1950er Jahre endete der staatliche Einzug der Kirchensteuer, in der Schule gab es keinen Religionsunterricht mehr, der Staat etablierte die Jugendweihe als Konfirmationsersatz. Alles gesellschaftliche Handeln sollte aus einer Hand kommen.Um die Kollektivierung der Landwirtschaft tobte bis in die 1960er Jahre ein erbitterter Kampf, der mit der Durchsetzung der staatlichen Vorstellungen endete. In der deutschen Teilung hielt die Kirche an der Einheit der Evangelischen Kirche in Deutschland fest. Als die DDR-Verfassung von 1968 diese Einheit zum Verbrechen erklärte, beschloss die Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg die organisatorische Einheit sobald als möglich wieder umzusetzen.Der Evangelischen Kirche ist es gelungen, Freiräume zu eröffnen, Menschen gegen staatliche Repression zu unterstützen und für sich zu definieren, was Treue zu Jesus Christus in einem System bedeutet, das alle Religion ausmerzen wollte. Für diesen Weg wählte sie die Formel „Kirche im Sozialismus“. Es ist perfide, dass ihr heute im Westen geborene und sozialisierte AfD-Funktionäre Verbrüderung mit den Feinden unterstellen.Eigentlich soll es auch nur davon ablenken, dass der scheinbar große Erfolg der AfD im Osten darauf beruht, dass der DDR-Sozialismus im Herzen ein autoritärer und rassistischer Nationalismus war. Die Mauer sorgte nicht nur dafür, dass die Bürger nicht hinaus kamen, sondern auch kaum jemand rein. Vietnamesen und Mosambikaner wurden übelsten rassistischen Beleidigungen ausgesetzt und der autoritäre Charakter des Systems ist unbestritten.Entscheidungen innerhalb der Evangelischen Kirche entstehen in demokratischen Prozessen. In vielen Fragen liegt die Verantwortung bei den Kirchengemeinden. Es war die Entscheidung der Mitglieder vieler Kirchengemeinden, sich im Jahr 2015 für die Flüchtlinge einzusetzen. Eine Mehrheit der Geflüchteten arbeitet produktiv an der Gestaltung unserer Heimat mit. Demokratie ereignet sich im gemeinsamen Gestaltungswillen.

Der Text ist eine gekürzte Fassung der Stellungnahme „Kommentar zum Kirchenpapier der Alternative für Deutschland: Unheilige Allianz. Der Pakt der Evangelischen Kirche mit dem Zeitgeist und den Mächtigen“.Hier finden Sie das komplette Statement:https://ekbo.de/fileadmin/ekbo/mandant/ekbo.de/0._Startseite/EKBO_Kommentar_zum_sogenannten_Kirchenpapier.pdf

Heinz-Joachim Lohmann ist Studienleiter für Demokratische Kultur und Kirche im ländlichen Raum und Beauftragter der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz zum Umgang mit gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit.