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Der König des Thrillers

Seine Mörder schreiten in Mönchskutten oder Froschmasken zur Tat, gemeuchelt wird mit Giftgas, Harpunen und Katapulten: Der Autor Edgar Wallace (1875 -1932) gilt als Erfinder des modernen Thrillers. „Es ist unmöglich, nicht von Edgar Wallace gefesselt (thrilled) zu sein“, warb sein Verlag damals. Das Leben des Autors war nicht weniger schillernd als seine Werke. Vor 150 Jahren, am 1. April 1875, wurde Richard Horatio Edgar Wallace in Greenwich bei London geboren, in ärmlichen Verhältnissen wuchs er auf.

Sein Erfolgsrezept, sagt der Literaturwissenschaftler Stefan Neuhaus, sei das „Übertriebene, das sehr unterhaltsam wirkt, zugleich aber auch sehr originell ist“. Die Texte seien „’Trash’ im positiven Sinn“, erklärt der Koblenzer Literaturprofessor und Autor des Buches „Der Krimi in Literatur, Film und Serie“. Anders als durch die Ruhe, in der ein Detektiv wie Sherlock Holmes seine Fälle löse, werde bei Wallace viel Spannung durch eine permanente Steigerung von Handlung aufgebaut.

Wenn Wallace Geld hatte, sei er kaum zum Schreiben zu bringen gewesen, erinnerte sich sein Privatsekretär Robert G. Curtis. Geschrieben habe er erst dann, wenn er wieder pleite gewesen sei. Seine Leidenschaft für Pferdewetten und ein verschwenderischer Lebensstil forderten ihren Tribut. Ein Roman soll dann in wenigen Tagen fertig gewesen sein.

Mehr als 170 Romane und Novellen sowie Kurzgeschichten, Theaterstücke, Reportagen und Gedichte gehören zum Werk des Autors. Hinter dem immensen Output stand eine nahezu industrielle Produktion: Über eine Frühform eines Diktiergerätes (Diktaphon) sprach Wallace seine Texte ein, die sein Privatsekretär dann ausarbeitete. Oft soll der Autor auch an mehreren Projekten gleichzeitig gearbeitet haben.

Trotz seines Erfolges habe Wallace keine Anerkennung für seine Texte erhalten, sagt der Literaturwissenschaftler Neuhaus. Sie seien nicht als Literatur ernst genommen, sondern als „Rohmaterial“ betrachtet worden, das auf Verkauf getrimmt wurde. Besonders bei Übersetzungen sei ohne Rücksichten gekürzt, Ausdruck, Satz und Struktur seien verändert worden. Wallace selbst soll einmal erklärt haben, er schreibe keine guten Bücher, sondern Bestseller.

Verglichen mit Agatha Christie sei Edgar Wallace „ein Meister des schlechten Geschmacks“, schreibt der Kritiker Georg Seeßlen in seinem Buch über Detektiv-Filme: „In seinen Büchern wimmelt es von abartigen Mördern, tierähnlichen Wesen, Geheimbünden und sadistischen Wiedergängern.“

Besonders beliebt war der Autor in Deutschland nicht zuletzt durch eine Film-Reihe, die 1959 mit „Der Frosch mit der Maske“ startete. Nach dem Vorspann „Hier spricht Edgar Wallace!“ ermittelten Schauspieler wie Joachim Fuchsberger, Heinz Drache oder Klausjürgen Wussow. Unter den Verdächtigen mischten Klaus Kinski oder Gert Fröbe mit. Mit „Der WiXXer“ und „Neues vom WiXXer“ kamen in den 2000er-Jahren Parodien mit Oliver Kalkofe und Bastian Pastewka in die deutschen Kinos.

Geboren als uneheliches Kind einer Schauspielerin und eines Schauspielers, wuchs Edgar Wallace zusammen mit zehn Kindern bei einer Familie von Arbeitern auf dem Fischmarkt auf. Die Schule brach er ab und hielt sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser: als Zeitungsjunge, Druckergehilfe oder als Koch auf einem Fischerboot.

Mit 18 Jahren schrieb er sich unter dem Namen Edgar Wallace bei der Armee ein. Im 1899 begonnenen Zweiten Burenkrieg war er als Soldat und Kriegsberichterstatter in Südafrika. Später berichtete er unter anderem für die Nachrichtenagentur Reuters und die Zeitung „Daily Mail“ aus Marokko, dem Kongo, Spanien und Frankreich.

1905 wurde sein Krimi-Erstling „Die vier Gerechten“ veröffentlicht – was den Autor trotz guter Verkäufe fast in den Ruin trieb: Er hatte nicht nur eine riesige Plakatwerbeaktion auf eigene Kosten gestartet. Er setzte auch eine Prämie von 500 Pfund für die Lösung der Mordmethode aus. Und das wurde teuer. Denn es stapelten sich die Briefe mit der richtigen Lösung – der britische Außenminister war in einem geschlossenen und stark bewachten Raum durch einen Stromschlag über die Telefonleitung ermordet worden.

Neben Krimis schrieb der mehrmals verheiratete Wallace auch eine Reihe von Afrika-Romanen, die ebenfalls zu Bestsellern wurden. Einer seiner berühmtesten Thriller ist der „Der Hexer“, der auch als Theaterstück aufgeführt wurde.

Zuletzt erhielt Wallace einen Ruf nach Hollywood mit dem Auftrag für das Drehbuch zum Kinofilm „King Kong und die weiße Frau“ (1933). Der Autor war da bereits adipös und litt an Diabetes. Zudem soll er stark geraucht und 40 Tassen Tee am Tag konsumiert haben. Er starb am 10. Februar 1932 in Hollywood im Alter von 56 Jahren an einer Lungenentzündung. Den hohen Schuldenberg, den er hinterließ, sollen seine Erben nach nur wenigen Jahren mit den Tantiemen abbezahlt haben.