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Der Brasilianer Steiner – Ideale, aber wenig Aussicht aufs Papstamt

Der Franziskaner ist einer von sieben Brasilianern, die beim Konklave in Rom abstimmen dürfen. Beim Thema Umweltschutz und im interreligiösen Dialog wandelt er auf Franziskus’ Spuren. “Für Papst” ist er wohl zu progressiv.

Ob er damit rechne, zum Papst gewählt zu werden, fragte die BBC vor einigen Tagen des brasilianischen Kardinal Leonardo Ulrich Steiner. Auf keinen Fall, so die Antwort des 74-Jährigen. “Ich schaffe es ja nicht mal, mich um alles in Manaus zu kümmern”, sagte er in Anspielung auf seine Diözese im Amazonaswald. Er hoffe jedoch, zu den Debatten vor am Konklave einen wichtigen Beitrag leisten zu können, so sein bescheidener Wunsch.

Es wird die erste Papstwahl für den Franziskaner, der seit 2019 dem Urwaldbistum in der Metropole Manaus mit mehr als zwei Millionen Einwohnern vorsteht. Dort ist er nicht bloß von schier unendlichen Wäldern umgeben. Tagtäglich erlebt der Kardinal die immer rasanter voranschreitende Zerstörung des einmaligen Lebensraums Amazonien: Rodungen, Abbrennen der Wälder und Vergiftung der Flüsse.

Dabei teilt Steiner die Sorgen von Papst Franziskus, für den die Bewahrung der Region stets ein spezielles Anlegen war. “Franziskus war sich der Schwere der Lage bewusst”, ist sich Steiner sicher. Umweltschutz und Klimapolitik seien längst eine Frage des Überlebens. So werde die Welt negativ zu spüren bekommen, dass die USA aus dem Pariser Klimaabkommen aussteigen, befürchtet der Kardinal.

“Die Umweltzerstörung spüren wir bei der Abholzung der Wälder, aber auch bei der Verwendung von Quecksilber. Wir haben enorm verschmutzte Flüsse”, sagt Steiner mit Blick auf die Goldschürfer. Dass Franziskus ihn zum ersten Kardinal der Amazonasregion berief, verstehe er auch als Beweis für die Sorge des Papstes um die Region.

Gilt seine Sorge derzeit besonders dem Amazonas-Lebensraum im nördlichen Brasilien, so wurde Steiner aber am anderen Ende Brasiliens geboren. Seine Heimat, der südbrasilianische Teilstaat Santa Catarina, wurde hauptsächlich von deutschen Migranten besiedelt. Die Bevölkerung seiner Heimatstadt Forquilhinha, die heute rund 30.000 Einwohner zählt, kam zum großen Teil Mitte des 19. Jahrhunderts aus der Moselregion nach Brasilien.

Steiner wurde im November 1950 als 13. von 16. Kindern einer deutschen Einwandererfamilie geboren. Auch sein Cousin Paulo Evaristo Arns (1921-2016), der spätere Bischof von Sao Paulo und Kardinal, stammte aus dem Städtchen. Sein Cousin sei stets das Vorbild dafür gewesen, dass auch er ein religiöses Leben anstrebte. So trat Steiner 1972 dem Franziskanerorden bei; 1978 wurde er von Arns zum Priester und 2005 zum Bischof geweiht.

Es folgten Stationen als Bischof der Prälatur Sao Felix im zentralbrasilianischen Teilstaat Mato Grosso, wo er von 2005 bis 2011 wirkte. 2011 wurde zum Generalsekretär der Brasilianischen Bischofskonferenz gewählt und von Papst Benedikt XVI. zum Weihbischof in Brasilia ernannt. Franziskus machte Steiner 2019 dann zum Erzbischof von Manaus und 2022 zum Kardinal. Seit 2023 ist Steiner zudem Präsident des Indio-Missionsrates Cimi, der sich in Brasilien für die Verteidigung der indigenen Völker einsetzt.

Angesichts seiner Ämter in der Bischofskonferenz und im Cimi stand Steiner stets im Mittelpunkt aktueller Themen und politischer Diskussionen. So widersprach er offen dem damaligen Präsidenten Jair Bolsonaro (2019-2022), als dieser fälschlich behauptete, der Amazonaswald sei in Brasilien zu 94 Prozent bewahrt. Auch sprach er sich offen gegen die von Bolsonaro promovierte Freigabe von Waffenbesitz für die Bevölkerung aus.

Auch widersprach Steiner Behauptungen des rechtspopulistischen Ex-Militärs, dass Brasilien durch kommunistische Kräfte bedroht sei. Er bezweifelte zudem, dass Brasilien 1964 vom Kommunismus bedroht gewesen sei – und widersprach damit der Auffassung rechter Kreise, die den Militärputsch von damals und die bis 1985 dauernde Diktatur mit einer angeblichen kommunistischen Gefahr verteidigten und dies bis heute tun; unter ihnen auch Bolsonaro.

Mit seinen politischen Äußerungen und der Art, kein Blatt vor den Mund zu nehmen, steht Steiner in Kontrast zu anderen brasilianischen Kirchenleuten wie dem Erzbischof von Sao Paulo, Kardinal Odilo Scherer (75), die sich aus der Tagespolitik ganz heraushalten. Scherer gehörte bereits beim Konklave 2013 zu den Favoriten, zumal er innerhalb des Vatikans als gut vernetzt gilt – anders als Steiner, dem zudem der Ruf anhängt, wohl etwas “zu progressiv” zu sein.

So setzt er sich nicht nur für den interreligiösen Dialog ein, sondern verteidigt auch den Frauendiakonat und plädiert für eine Zulassung verheirateter Priester. In der weiten Amazonasregion übernehmen Laien – und besonders Frauen – bereits wichtige Aufgaben für die personell überforderte Amtskirche. Sowohl eine stärkere Rolle der Frauen wie auch die Zulassung verheirateter Priester sind damit den Realitäten vor Ort geschuldet. Ob der reformfreudige Steiner mit solchen Themen im Konklave punkten kann, bleibt abzuwarten.