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Der Abschluss – Spielplätze für das Heilige Land

Text und Foto: Rolf Martin und Heinz-Joachim Lohmann Ein Kinderspielplatz entsteht im Heiligen Land in Zeiten des Krieges. Wir befinden uns – weitab vom Kriegsgeschehen – in Galiläa, einer Gegend voller Sand und Steine und trotzdem eine mythische Gegend für uns Christen. Die Landschaft, in der Jesus von Nazareth den größten Teil seiner Lebenszeit verbrachte. Keinen der berühmten Orte besuchten wir. Es war nicht an der Zeit …

Text und Foto von Rolf Martin und Heinz-Joachim Lohmann

Wieder daheim – Dienstag, den 29. Juli

Ein Kinderspielplatz entsteht im Heiligen Land in Zeiten des Krieges. Wir befinden uns – weitab vom Kriegsgeschehen – in Galiläa, einer Gegend voller Sand und Steine und trotzdem eine mythische Gegend für uns Christen. Die Landschaft, in der Jesus von Nazareth den größten Teil seiner Lebenszeit verbrachte. Keinen der berühmten Orte besuchten wir. Es war nicht an der Zeit.

Drei Wochen sollten es sein, vierzehn Tage sind es geworden. Als wir planten, rechnete niemand mit einer bewaffneten Auseinandersetzung in der Zeit des Projektes.In unserem Blog wird deutlich wie sehr uns die Situation unter Druck setzt, wir uns mit einer Realität auseinandersetzen müssen, die wir nicht einschätzen können.

Kirsten Fehrs, Hamburger Bischöfin und Schirmherrin unterstützt in ihrem Grußwort zur Eröffnung ausdrücklich die Entscheidung, unser Vorhaben dennoch durchzuführen: „Was wäre der Sinn eines Friedensprojektes, das nicht stattfindet, weil es erste Zeichen von Kämpfen gibt? … Wie würde es wirken, wenn wir gesagt hätten: Wir führen das Regenbogenprojekt in Israel gerne durch, aber wir warten bis der Krieg vorbei ist? …Euer Mut, in ein Land zu reisen, das in den deutschen Nachrichten als sehr unsicher dargestellt wird, ist ein erster Schritt auf dem steinigen Weg zum Frieden. Vielen Dank, dass Ihr mitgemacht habt!“

Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier äußerte sich ähnlich zum gleichen Anlass: „Es ist beeindruckend und ermutigend zugleich, dass Sie sich klar dafür entschieden haben, dieses so sorgfältig vorbereitete Vorhaben in einer Zeit der akuten Krise Realität werden zu lassen. Sie setzen mit dem Erschaffen des Regenbogens gerade in diesem Augenblick ein wichtiges Signal, dass Dialog und Toleranz zu einem dauerhaften, friedlichen Miteinander führen können, wenn wir unser Handeln danach ausrichten. Ich freue mich, dass besonders die junge, nachwachsende Generation in Projekten wie diesem solches Engagement zeigt. Sie beweist damit eindrucksvoll, dass sie gestalten und verändern möchten, dass sie Verantwortung dafür übernehmen möchten, wie unsere Weltgesellschaft in der Zukunft aussehen soll. Ihre Haltung setzt zugleich ein Zeichen, das über alle Grenzen hinweg verstanden werden wird.“

Das sind starke Worte. Trotzdem erleben wir in Galiläa alles ganz anders. Wir sind erstaunt wie „normal“ der Alltag unter der ständigen Erwartung von Raketenangriffen sein kann. Israel schafft es, durch den „Iron Dome“ seinen Bürgerinnen und Bürgern Sicherheit zu geben in einer Situation ständiger Bedrohung. Oder wie „normal“ der Alltag auch für die arabischen Israelis sein kann: Sie haben ein starkes Mitgefühl für ihre „Angehörigen“ in Gaza. Und doch fühlen sie sich auch als Israelis, die an dieser Stelle uneins sind mit der Politik ihres Staates.

Der Streit um das Land scheint unlösbar. Die Ansprüche begründen Erzählungen, die einander ausschließen. Die Realität von 1948 und 1967 steht gegen die Verheißung an Abraham. So endet jeder Krieg mit Waffenstillstand ohne Frieden. Doch beim näheren Hinschauen sind die Realität und die Verheißung komplizierter als die Parolen glauben machen wollen.

Die jungen arabischen und jüdischen Israelis, mit denen wir bauten und lebten, sind bereit, nicht alles mit Geschichte zu begründen. Sie wollen den Status quo als Arbeitsauftrag akzeptieren, zunächst an Frieden, Koexistenz, gemeinsamen Lernen, Gleichberechtigung und sozialer Gerechtigkeit arbeiten bevor die Frage des Landbesitzes aufgerufen wird. Sie sind – anders als Fundamentalisten – in pragmatischer Orientierung an einem guten Zusammenleben orientiert.

Nach den Angriffen auf die Twin Towers schrieb Salman Rushdie im Guardian: „Der Fundamentalist glaubt, dass wir nichts glauben.In seiner Weltsicht verfügt er über absolute Sicherheit, während wir in genusssüchtiger Hemmungslosigkeit versinken.Um zu beweisen, dass er falsch liegt, müssen wir zuerst registrieren, dass er Unrecht hat.Wir müssen Übereinstimmung über das Wichtige erzielen: Küssen in der Öffentlichkeit, Schinkenbrote, Auseinandersetzung über verschiedene Meinungen, scharfe Klamotten, Literatur, Großzügigkeit, Wasser, eine gerechtere Verteilung der Weltressourcen, Kino, Musik, Gedankenfreiheit, Schönheit, Liebe.“

Mit der Ausnahme von Schinkenbroten (es gibt unter uns Juden, Muslime und Veganer) teilen wir die Überzeugung, dass die jungen Leute, mit denen wir die letzten beiden Wochen verbrachten, diese Liste unterschreiben würden. Unter ihnen besteht Konsens, dass sie sich von Pfarrern, Imamen, Rabbis nicht vorschreiben lassen wollen wie sie zu leben haben. Wenn sie keine Schinkenbrote essen wollen, dann entscheiden sie das selbst.

Yohai, ein amerikanischer Jude, war zunächst sehr skeptisch als er hörte, dass wir Pfarrer sind. Pastoren, die er kennt, zeigen sich zunächst offen und beginnen dann zu missionieren, indem sie ihren Weg als den einzig Richtigen anpreisen. Sein Misstrauen verlor sich im Lauf der Tage. Für uns ein Zeichen, dass unser liberaler europäischer Protestantismus, der sich selbst nie ganz gewiss ist und eher ein bisschen blass nach außen tritt, dialogfähig und verständnisvoll bleibt in einer Welt, die von ihren Extremen zerrissen zu werden droht.

Wir können also sagen, dass unsere Hoffnung für das Heilige Land auch heute (und nicht nur zu Jesu Zeiten!) in Galiläa heranwächst.

Die jungen Leute setzen sich gemeinsam mit dem auseinander, was wichtig ist. Sie wissen, dass sie neue Wege werden gehen müssen – Wege die nicht nur einfach und bisweilen auch gefährlich sein werden. Die nächste und übernächste Generation wird unserer Überzeugung nach Antworten auf die Frage finden, wie sie in Zukunft leben und zusammenleben wollen. Und diese zukunftsorientierten Antworten werden ihnen wichtiger sein als weitere vergangenheitsorientierte Geschwisterkriege um Landbesitz. Dafür bauen wir gerne noch einen Regenbogen.

Pastor Rolf Martin Pfarrer Heinz-Joachim Lohmann