Von Karin Ilgenfritz
22 Kinder – und doch ist es muckmäuschenstill, als Erzieherin Annafried Jensen die Geschichte vorliest. Heute geht es um Martin Luther und wie er die Bescherung vom Nikolaustag, dem 6. Dezember, auf Weihnachten verlegt hat. Ohne es mit seiner Frau Katharina zu besprechen.
Jeden Tag in der Adventszeit wird in der evangelischen Sternkindertagesstätte in Münster eine Geschichte im Morgenkreis vorgelesen. In diesem Jahr aus dem Buch „Wir reisen hin zum Weihnachtsfest“ von Claudia Filkner. Die erste Geschichte spielt in der Gegenwart, die letzte ist die Weihnachtsgeschichte aus der Bibel. Alles andere sind Geschichten aus den Jahrhunderten dazwischen.Immer gibt es dazu auch Bilder – gezeichnet von Volker Konrad.
Weihnachtsgeschichten aus zweitausend Jahren
Ob es heute auch deswegen so ruhig in der Sonnengruppe ist, weil Gäste da sind? Volker Konrad berichtet den Kindern davon, wie er die Bilder malt. Erst einmal zeigt er den Kindern das Buch und fragt: „Was seht ihr da?“ Mathilda sieht Leute. Und den Stern. „Der sieht aus wie ein Plätzchen“, sagt sie. Da schmunzelt auch der Künstler und gibt dem Mädchen recht. „Wie hast du das gemalt?“, will ein Junge wissen. „Erst mache ich Skizzen mit einem Bleistift“, schildert Volker Konrad. „Dann zeige ich das den Leuten im Verlag. Die sagen mir dann, ob es so okay ist.“ Die Kinder hören aufmerksam zu und schauen sich die Skizzen an, die der Künstler auf dem Boden ausgebreitet hat. „Dann erst male ich die Bilder mit Wasserfarben – so wie ihr auch.“
Volker Konrad hat schon immer gern gezeichnet. „Als ich mit zehn Jahren Sagen gelesen habe, habe ich dazu gemalt.“ Bereits damals lag es ihm, Geschichten zu bebildern. „Für mich sind Bilder Kommunikation. Ich möchte damit etwas erzählen“, sagt er. „Die abstrakte Kunst ist nicht so mein Ding.“ Seine Eltern haben ihn gefördert. Er ist in Dresden geboren und aufgewachsen. „Da gab es für Schüler viele Angebote im Bereich Kunst.“ Außerdem erinnert er sich an schöne Kinderbücher mit guten Illustrationen, die er als Kind gelesen und angeschaut hatte.
Die Kinder sind fasziniert von den Bildern, mit denen er immer wieder herumgeht. Sie haben viel Zeit zum Anschauen und entdecken die ein oder andere Feinheit. „Da ist ja eine Katze“, freut sich ein Junge. „Die guckt so lustig.“ Das Bild illustriert die Geschichte „Ein Bischof hilft drei jungen Frauen“ und stammt aus der Zeit um das Jahr 330.
Volker Konrad freut sich, wenn Kindern diese Dinge auffallen – eine Katze, ein Rabe oder ein Junge, der neugierig um die Ecke spitzt und das Geschehen verfolgt. „Mir ist es wichtig, dass die Kinder etwas fnden, womit sie sich identifizieren können“, sagt Volker Konrad. „Meine Illustrationen sollen nicht nur das Geschehen aus der Geschichte wiedergeben, sondern einen Mehrwert haben.“
Den Kindern sagt er, dass er immer entweder etwas Lustiges oder etwas zum Entdecken in seine Bilder malt. Einige nicken. Dann bricht es aus einem Jungen heraus: „Wie machst du das nur, dass du nicht über die Linien malst?“ Volker Konrad hat Verständnis für diese Frage. Der 42-Jährige erklärt, dass er die Bilder nicht so klein malt, wie sie im Buch abgebildet sind. „Das wäre zu schwer. Ich male die Bilder viel größer und erst für den Druck werden die am Computer dann so klein gemacht, dass sie in das Buch auf die jeweilige Seite passen.“ Der Junge scheint beruhigt zu sein.
Eine Herausforderung ist es, dass die Geschichten aus verschiedenen Jahrhunderten stammen. „Da muss ich mich gut informieren, welche Kleidung die Menschen damals getragen haben“, erklärt er den Kindern. Dazu recherchiert er im Internet und freut sich, wenn er Gemälde aus der jeweiligen Zeit findet. „Und wie lange brauchst du für so ein Bild?“, fragt ein Junge. „Das ist unterschiedlich“, sagt Volker Konrad. „Manche gehen mir leicht von der Hand, da weiß ich auch gleich, wie es aussehen soll. Andere dauern länger.“ Dazu kommt, dass er erst die Skizzen anfertigt und selten ein Bild in einem Zug komplett fertig macht. „Richtig schnell ging die Zeichnung zu der Geschichte mit dem Herrnhuter Stern.“ Im Schnitt dauert ein Bild etwa zwei Tage.
Mathilda berichtet, dass sie manche Bilder aus dem Buch schon in viel größer gesehen hat. „Die hängen nämlich bei uns in der Kirche.“ Dazu muss man wissen, dass Volker Konrad aktives Mitglied in der Erlösergemeinde ist. Er war bis vor Kurzem Presbyter und engagiert sich auch jetzt ehrenamtlich. Gelegentlich hat er die Kulisse für das Krippenspiel gemalt. „Ich entwerfe auch immer wieder mal einen Flyer oder ein Plakat. Dafür bekomme ich eine Aufwandsentschädigung“, sagt er.
Ehrenamtlich in der Kirchengemeinde aktiv
Volker Konrad arbeitet heute als freiberuflicher Illustrator. Er hat zwar Religion und Kunst auf Lehramt studiert. „Aber dann habe ich gemerkt, dass ich lieber selbst malen möchte als es anderen zu erklären.“ Durch das Studium hat es ihn nach Münster verschlagen, wo er sich mit seiner Familie wohl fühlt. Sein Herz schlägt für die Illustration von Kinderbüchern – die im Idealfall Glauben vermitteln. Die Arbeit an dem Weihnachtsbuch hat ihm Spaß gemacht. Wichtig für seine Arbeit sind übrigens seine beiden Kinder, die bereits zur Schule gehen. „Sie geben mir die Rückmeldung, ob meine Bilder funktionieren.“
Das beeindruckt auch die Kindergartenkinder, die nun lange zugehört haben. Nachher können sie noch malen – Volker Konrad hat Ausmalbilder für sie mitgebracht.
Buchtipp: Claudia Filkner: Wir reisen hin zum Weihnachtsfest. Eine Zeitreise in 24 Geschichten. Illustration: Volker Konrad. Verlag Neukirchener Aussaat, 96 Seiten, 12,99 Euro.