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Davon ich singen und sagen will

Die Adventszeit lebt auch von ihren Liedern. Was es da alles gibt! Eine kleine Auswahl aus der UK-Redaktion

Rudie - stock.adobe.com

Adventslieder: Manche liebt man, zu anderen hat man ein eher gespaltenes Verhältnis. Manchmal begeistert die Geschichte, die hinter einem Lied steht. Oder es ist der Inhalt der Strophen oder aber die Melodie. Es können aber auch schlechte Erinnerungen sein, die das Hören eines Liedes auf ewig verderben. Von allem wissen die Mitglieder der UK-Redaktion etwas zu erzählen.

Ein Bild für die christliche Botschaft

Als Kind konnte ich mit diesem Lied gar nichts anfangen: „Es kommt ein Schiff, geladen…“. Wieso kommt zu Weihnachten, zur Geburt des Jesuskindes, ein Schiff? Merkwürdig altertümlich erschien mir auch die Sprache: „Das Schiff geht still im Triebe…“
Irgendwann hab ich mich dann schlaugemacht über die Metaphorik des Textes. Und mit der Erkenntnis wuchs die Zuneigung. Als uraltes Symbol steht das Schiff für Rettung und Erlösung. Man denke nur an die Arche Noah. Darauf hätte ich auch selbst kommen können… Verbreitet ist ja zudem die Vorstellung von dem Schiff als Bild für die Kirche, für das Gottesvolk.

Erfahren habe ich bei meinen Recherchen auch noch, dass das Schiff ein Symbol für Maria ist, die in sich den Gottessohn trägt. Der biblische Hintergrund dafür findet sich in den Sprüchen 31. Dort heißt es in Vers 14 über eine „tüchtige Frau“: „Sie ist wie ein Kaufmannsschiff; ihren Unterhalt bringt sie von ferne…“. Dieser Satz wurde später auf Maria bezogen. Eine interessante Vorstellung aus vorreformatorischer Zeit, in der sich auch die Wurzeln dieses Liedes finden.

„Es kommt ein Schiff, geladen“ – das ist ein Adventslied, dessen Worte und Bilder zum Nachdenken einladen und dessen alte Melodie besonders dann mein Herz berührt, wenn die Stimmung im Advent eben nicht himmelhochjauchzend ist, sondern eher trüb wie das Dezember-Wetter. Trotzdem steht am Ende die Hoffnung, der Blick über Weihnachten hinaus zu Ostern. Dahin kann das Schiff die Menschen tragen, denn: „Sein Segel ist die Liebe“. Ein schöneres Bild für die christliche Botschaft lässt sich wohl kaum finden. hei

 

Das traurige Lied von der offenen Tür

Der Advent ist ein Trauerspiel. Und zwar im 3/4-Takt. Von Kindesbeinen war ich bei jeder, wirklich jeder Adventsfeier im Gemeindehaus dabei. Und immer war der Blockflötenkreis schon da. Am Klavier Frau Inge (die hieß natürlich anders). Um sie herum niedergeschlagen wirkende Jungen und Mädchen, die Flöten in den Händen hielten. Oder Akkordeons.
Man spielte: Macht hoch die Tür, die To-or macht weit. Für alle zwischen zehn und 16 – Musikerinnen und Zuhörer – war das Lied vor allem aber eines: eine Tortur. Es gab so coole Musik in jener Zeit. Abba. Smokie. Die Bay City Rollers. Aber was spielte der Blockflötenkreis? Das traurige Lied von der offenen Tür.

Noch heute denke ich, sobald der Advent beginnt, an Frau Inge und ihren Blockflötenkreis; an die niedergeschlagenen Gesichter und die holzigen Töne. Sicher, viele haben mir mittlerweile versichert (etwa die Kollegin von nebenan), wie sehr sie sich von getragener Musik getragen fühlen. Glaube ich ja. Aber leise Zweifel nagen: Muss der Advent denn wirklich so traurig sein? gmh

 

Die Hoffnung auf den Friedefürst

Zugegeben, die Melodie ist etwas sperrig. Das singt sich nicht einfach mal so. Wahrscheinlich ist das Lied „Das Volk, das noch im Finstern wandelt“ (EG 20) darum auch nicht weit verbreitet in unseren Adventsgottesdiensten – ich kann mich jedenfalls nicht erinnern, es häufiger gesungen zu haben.

Entdeckt habe ich es wohl erst im Vikariat, als ich selbst anfing, Gottesdienste zu gestalten. Da fiel mir vor allem der Text ins Auge: Er verknüpft die starken Bilder alttestamentlicher Verheißungen mit den aktuellen Erfahrungen von Unfrieden und Leid. Mir geht beim Singen immer vor allem die 3. Strophe ans Herz: „Er kommt in Frieden. Nie mehr Klagen, nie Krieg, Verrat und bittre Zeit! Kein Kind, das nachts erschrocken schreit, weil Stiefel auf das Pflaster schlagen.“ Dieses Bild, das für Millionen von Kindern immer noch tägliche und nächtliche Realität ist, zeigt für mich in klaren, drastischen Worten, wie unerlöst unsere Welt noch ist – und wie gewaltig unsere Hoffnung auf den Friedenfürst: „Die Liebe geht nicht mehr verloren. Das Unrecht stürzt in vollem Lauf. Der Tod ist tot. Das Volk jauchzt auf und ruft: Uns ist ein Kind geboren!“ Für diesen wunderbaren Text lohnt es sich, ein wenig mit der Melodie zu kämpfen! leg

 

Mit Ernst, o Menschenkinder

Bei diesem Lied werden Kindheitserinnerungen wach. Krippenspiel. Ich durfte die ersten Jahre immerhin ein Engel sein, der zwar nichts zu sagen hatte – aber zu singen. Mit ein paar anderen. Wo das Lied „Mit Ernst, o Menschenkinder“ (EG 10) ins Spiel kam, weiß ich nicht mehr. Aber auf dem Weg zur Probe oder wieder nach Hause habe ich dieses Lied vor mich hingesummt. Und zwar ständig, sagt meine Erinnerung. Ich hatte mich damals in die Melodie geradezu verliebt.

Mit dem Text dagegen konnte ich als Kind nicht viel anfangen. Nur bei dem Satz „macht seine Steige richtig, lasst alles, was er hasst“, musste ich an meine Freundin denken, die in der „Alten Steige“ wohnte. Ich habe mich gefragt, wie diese Straße und das Lied zusammenhängen. Jahr für Jahr habe ich mich auf dieses Lied gefreut. Noch heute ist es mein Lieblings-Adventslied. Am dritten Advent versuche ich immer in den Gottesdienst zu gehen, denn da ist es das Wochenlied. Übrigens war meine Freude groß, als ich vor vielen Jahren entdeckte, dass es ein weiteres Lied im Gesangbuch mit der gleichen Melodie gibt (EG 365: Von Gott will ich nicht lassen). kil

 

Die Nacht ist vorgedrungen

Am 18. Dezember 1937 schreibt Jochen Klepper das Gedicht mit dem Titel „Die Nacht ist vorgedrungen“. Die Nazis behindern zu dieser Zeit bereits seine Publikationen. Der Grund: Die jüdische Herkunft seiner Ehefrau Johanna und deren Töchter. 1939 vertont Johannes Petzold Kleppers Zeilen wunderbar melancholisch. Für mich schwingt dessen Schicksal beim Singen immer mit. Das ganze Lied wirkt wie ein Versuch, gegen das Dunkel anzusingen.

Klepper muss die bösen Mächte, die er beschreibt, leider am eigenen Leib erleben. Dennoch glaubt er fest daran, dass die „Nacht im Schwinden“ und der Tag „nicht mehr fern“ ist. Das berührt mich zutiefst. 1942 steht dann die Zwangsscheidung von seiner Frau und deren Deportation unmittelbar bevor. Die ganze Familie nimmt sich daraufhin noch im Dezember das Leben.
Die letzte Eintragung in Kleppers Tagebuch lautet: „Nachmittags die Verhandlung auf dem Sicherheitsdienst. Wir sterben nun – ach, auch das steht bei Gott – Wir gehen heute nacht gemeinsam in den Tod. Über uns steht in den letzten Stunden das Bild des Segnenden Christus, der um uns ringt. In dessen Anblick endet unser Leben.“ bb

 

Ein Lied im Advent als Brücke zu Ostern

„Wo bleibst du, Trost der ganzen Welt?“ Klar erklingt die Stimme des Kantors im dunklen Kirchenschiff. Es ist Osternacht in meiner Heimatgemeinde. Nach dieser Strophe geht es mit der Osterkerze in die Kirche. Ein Licht in dunkler Nacht.
Es hat eine Zeit gedauert, bis ich die Verknüpfung vom Lied in der Osternacht zu einem meiner liebsten Adventslieder zog. Es ist die vierte Strophe von „O Heiland, reiß die Himmel auf“. Das Lied hat mich von Anfang an in seinen Bann gezogen. Ich mag die altertümlich anmutende Melodie. Den fast lautmalerischen Text, der das Aufreißen des Himmels darstellt. Die Freiheit, die Gott uns schenkt, indem er seinen Sohn auf die Erde schickt. Eben den Trost der ganzen Welt.

Dazu kommt meine Sympathie für den Dichter Friedrich Spee von Langenfeld. Der Dichter und Jesuit hat sich mutig gegen die Hexenverfolgung gestellt und stand den verurteilten unschuldigen Frauen bei. Ein tapferer Mann und ein großer Dichter. Ein Vorbild auch in unserer Zeit. str