Hamburg. Der Osterhase hat in der Bibel nichts verloren. Doch Schafe sind die Stars unter den biblischen Tieren. In der Heiligen Schrift werden sie mit Abstand am häufigsten erwähnt: Das Schaf oder Lamm findet sich an 196 Stellen, wobei es 159 mal im Alten Testament und 37 mal im Neuen Testament genannt wird. Gerade an Ostern hat das Tier seinen wichtigsten Auftritt.
Seit Jahrtausenden ist das Schaf ein Kultobjekt. Abraham, Stammvater der drei monotheistischen Religionen, musste seinem Gott doch nicht den eigenen Sohn opfern, in letzter Sekunde reichte ein Lamm. Vor dem Auszug aus Ägypten strichen die Israeliten das Blut frisch geschlachteter Jungtiere an die Türpfosten, damit der Todesengel ihre Häuser verschone – Ursprung des jüdischen Pessachfests.
Der gute Hirte
Ausgerechnet dieses wehrlose Tier wurde dann auch zum Inbild von Jesus: Er ist das Lamm Gottes, das geschlachtet wird und den Tod überwindet. Oft ist das Lamm in der christlichen Bildsprache mit einer Siegesfahne zu sehen; es symbolisiert damit die Auferstehung Christi.
Jesus ist aber nicht nur das Opferlamm. Er wird auch als der gute Hirte dargestellt, der seine verunsicherten Schafe weidet und für sie sein Leben lässt. Eine Arie von Johann Sebastian Bach überträgt das Bild dann auch ins Politische: "Schafe können sicher weiden/wo ein guter Hirte wacht", heißt es in der Jagdkantate. "Wo Regenten wohl regieren/kann man Ruh und Friede spüren/und was Länder glücklich macht".
"Siehe, ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe", heißt es an anderer Stelle im Matthäus-Evangelium. Es ist ein archaischer Konflikt, der aber gerade in Deutschland wieder auflebt: "Drei Schafe in Immensen gerissen. Haltet uns den Wolf vom Pelz" titelte die "Bild"-Zeitung Anfang Januar. Vor falscher "Wolfsromantik" warnt die Vereinigung der Deutschen Landesschaftzuchtverbände.
Zahl der Schafe geht zurück
Der Wolf als Räuber, das Schaf als Opfer. Demgegenüber lobt die in Bremen angesiedelte Stiftung "Bündnis Mensch und Tier" "das Sozialsystem der Schafherde" als "ein bisher noch zu wenig beachtetes Vorbild für die menschliche Gesellschaft". Schließlich lebten in der Herde viele sehr unterschiedliche Persönlichkeiten, die auch ihren eigenen Interessen nachgingen, sich jedoch jederzeit aktiv dem Schutz der Herde unterordneten. "Schafe haben ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl", loben auch die Schafzuchtverbände.
Fakt ist: Die Zahl der Schafe in Deutschland geht zurück. 2010 wurden knapp 22.300 landwirtschaftliche Betriebe mit etwa 2,1 Millionen Schafen gezählt, so das Statistische Bundesamt. 2017 waren es nur noch rund 1,6 Millionen. Auch die Wanderschäferei hat viel von ihrer Bedeutung verloren.
Merinos, Schwarzköpfige Fleischschafe, Heidschnucken, Moorschnucken, Rhönschaf, Pommersches Landschaf oder Bergschaf: Allein in Deutschland sind über 50 Rassen von Hausschafen heimisch. Weit über 600 unterschiedliche Rassen sind beinahe überall auf der Welt zu finden. Das Schaf gehört zu den ältesten Nutztieren der Welt. Domestiziert wurden die Wiederkäuer aus dem Mufflon vor rund 11.000 Jahren auf dem Gebiet des heutigen Irak.
Der Ruf hat gelitten
Das Schaf ist widerstandsfähig, genügsam und leicht zähmbar und damit ein optimaler Lieferant für Fleisch, Milch und natürlichen Dünger. Außerdem gelang es dem Menschen, aus ihm einen Wolllieferanten zu züchten: Seit über 4.000 Jahren kommt kaum ein Schaf in Europa ungeschoren davon.
In modernen Zeiten hat der Ruf des Schafes allerdings gelitten. Die Bilder von Sanftmut und pastoraler Idylle sind zweischneidig geworden. Hat nicht der Herdentrieb den Nationalsozialismus begünstigt? Wer will schon gern als lammfromm oder als Schafskopf gelten? Und wer möchte ein Schwarzes Schaf sein? Oft liegt das Grauen unmittelbar neben der Idylle. "Das Schweigen der Lämmer" ist gruselig. Erst recht will niemand wie ein Schaf zur Schlachtbank geführt werden. (KNA)