Wer ihn sieht, traut ihm nicht viel zu: Viel zu klein ist er, eigentlich ein Schwächling. Die Geschichte vom Hirtenjungen David, der es mit dem Riesen Goliath aufnimmt und diesen mit einer einfachen Steinschleuder besiegt, gehört wohl zu den bekanntesten der Bibel. Für Kinder ist sie eine große Faszination. Das weiß auch Christine Baier, die eine Gruppe im Vorschul- und Grundschulalter im Bibel Museum Bayern in Nürnberg begrüßt.
Viele Beispiele für große und kleine Dinge in ihrem Umfeld fallen den Kindern an diesem Samstagvormittag im Untergeschoss des vor knapp drei Jahren eröffneten Museums ein. Alle haben ein gemütliches Plätzchen gefunden; der Erzählraum mit Teppichboden, Sitzkissen und gedämpftem Licht strahlt etwas Heimeliges aus. An einer Wand stimmt das großformatige Foto der kargen und zerklüfteten Wüstenlandschaft Israels die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Führung auf das Land der Bibel ein.
Berge und Ameisen, Wolkenkratzer und Reiskörner, große und kleine Geschwister – kontrastreicher könnte auch die Begegnung zwischen David und Goliath kaum sein: der starke und rücksichtslose Riese gegen den schmächtigen Jungen, der noch nicht einmal in eine Rüstung passt. „Ausgerechnet den Kleinsten schicken die Israeliten ins Rennen“, erzählt Christine Baier und blickt in erwartungsvolle Gesichter: „Niemand kann sich vorstellen, dass David etwas ausrichten kann gegen den großen und mächtigen Goliath.“ Stille im Raum, die Blicke der Kinder ruhen gebannt auf Baier, die weitererzählt: „Doch David spürt tief drin in seinem Herzen: Unser Gott ist groß und mächtig. Dieses Gefühl macht David Mut – und so trifft er Goliath mit seiner Steinschleuder an der Stirn. Er fällt zu Boden.“
Christine Baier will den Kindern zeigen: „Diese Texte sind nicht nur spannend, sondern haben auch ganz konkret mit dem eigenen Leben zu tun: Goliath zum Beispiel ist ein Sprücheklopfer.“ Sich über andere stellen, andere klein machen und auslachen – solche Erfahrungen kennen auch Kinder. Sich schwach und unbedeutend fühlen, beleidigt werden: Das ist vielen schon passiert. „Man fühlt sich allein“, sagt Arthur, der die fünfte Klasse besucht. David hatte seine Steinschleuder, Arthur geht seit einiger Zeit ins Taekwondo-Training. Da lerne man nicht nur, sich zu verteidigen, erzählt der Zehnjährige: Über den Schulhof gehe er seither selbstbewusster, Angst vor den älteren und größeren Schülern habe er nicht mehr.
Auch wenn in den Familien teilweise kaum noch religiöses Wissen vorhanden sei und sich viele Eltern diese Kompetenz nicht mehr zutrauten, gebe es beim Nachwuchs doch häufig ein gewisses religiöses Gespür, sagt Baier. Daran knüpften die „Mutmachgeschichten der Bibel“, wie Baier sie nennt, an.
Längst klaffe die Schere im Religionsunterricht weit auseinander, sagt Religionslehrerin Doris Nunn-Richter: „Von Kindern, die nicht wissen, was ein Pfarrer ist, über die, die gelegentlich in den Gottesdienst gehen, bis zu ein paar wenigen, die sich am Gemeindeleben beteiligen.“ Durch immer weniger Überschneidungspunkte mit Kirche gebe es kaum noch religiöse Erfahrungen, auf die Kinder zurückgreifen könnten.
Natürlich könne man Kinder nicht zu glaubenden Menschen „machen“ oder erziehen, weiß Nunn-Richter, die seit vielen Jahren Kindergottesdienste anbietet. Mit der Einladung an Familien zu dieser Führung ins Bibel-Museum und anderen Angeboten möchte sie aber mithelfen, „den Boden zu bereiten, auf dem Vertrauen ins Leben, aber auch auf Gott wachsen kann“, sagt sie. In den biblischen Geschichten des Alten und Neuen Testaments werde oft erzählt, „dass und wie der Glaube die Menschen stark macht“.
Es gehe aber weder darum, die Bibel wortwörtlich zu nehmen, noch sie als Märchen abzutun, ergänzt die Religionslehrerin. Sie möchte die Kinder mit den Geschichten der Bibel, die eben nicht nur „irgendwelche alten Texte“ seien, vertraut machen, „weil diese oft von Lebenserfahrungen berichten, die Kinder auch schon auf ihre Weise machen“. Dabei sei ihr Platz für Fragen und Zweifel wichtig, über die man miteinander ins Gespräch kommen könne.
Im Museum gibt es an diesem Tag Miniaturbibeln und ganz große Exemplare der Heiligen Schrift zum Anschauen. Am Ende dürfen die Kinder selbst ein Büchlein gestalten, in das sie die Geschichten schreiben und malen können, die ihnen begegnen und die sie vielleicht auch in Zukunft begleiten und beschäftigen. „Jahwe“ steht in hebräischer Schrift vorne drauf: „Ich bin da.“ (00/3823/02.12.2024)