Kurz vor dem 9. November hat der Bundestag eine Resolution gegen Judenhass und für jüdisches Leben in Deutschland verabschiedet. Vorausgegangen waren lange Verhandlungen. Kritik an dem Papier wurde zurückgewiesen.
Mehr als ein Jahr nach dem Hamas-Angriff auf Israel hat der Bundestag mit einer fraktionsübergreifenden Resolution seine Haltung gegen Antisemitismus bekräftigt. Mit breiter Mehrheit nahm das Parlament das Papier von SPD, CDU/CSU, Grünen und FDP am Donnerstag an – kurz vor dem 9. November, dem Jahrestag der gegen Juden gerichteten Novemberpogrome der Nazis von 1938. Auch die AfD-Fraktion stimmte dafür, die Gruppe des BSW stimmte dagegen, die Gruppe Die Linke enthielt sich.
Die Resolution wendet sich unter anderem gegen eine staatliche Förderung für Organisationen und Projekte, die Antisemitismus verbreiten, das Existenzrecht Israels infrage stellen, zum Boykott Israels aufrufen oder die gegen Israel gerichtete BDS-Bewegung aktiv unterstützen. Das Papier mit dem Titel “Nie wieder ist jetzt – Jüdisches Leben in Deutschland schützen, bewahren und stärken” stellt Forderungen auf und gibt Empfehlungen ab, entfaltet aber keine direkte rechtliche Wirkung.
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, sagte, die Resolution sei “in schwierigen politischen Zeiten ein Signal, dass Antisemitismus in Deutschland nicht einfach hingenommen werden darf”. Dafür sei er dankbar. Aus dem Beschluss müsse nun konkretes staatliches Handeln erfolgen, “andernfalls verhallt dieses Signal in der Weite des politischen Raums”.
Kritiker befürchten dagegen durch die Resolution eine Einschränkung der Meinungs-, Kunst-, Wissenschafts- und Versammlungsfreiheit – insbesondere, wenn es um Kritik an Israel geht. Mehr als 4.000 Einzelpersonen sowie Dutzende Organisationen aus Politik, Kultur, Wissenschaft und Gesellschaft unterzeichneten bis Mittwochabend einen Offenen Brief, der andere Formulierungen und eine weitere öffentliche Debatte fordert. Zu den Unterstützern gehören etwa der Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit, die Klima-Aktivistin Luisa Neubauer und die Schriftstellerin Eva Menasse, aber auch Amnesty International und die katholische Friedensbewegung Pax Christi.
Vertreter der hinter der Resolution stehenden Fraktionen wiesen die Kritik als falsch zurück. Die sogenannte Arbeitsdefinition von Antisemitismus der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA), die in dem Papier als maßgeblich benannt wird, besage ausdrücklich, dass Kritik an Israel, die mit der Kritik an anderen Staaten vergleichbar sei, nicht als antisemitisch anzusehen sei. Die CSU-Abgeordnete Daniela Ludwig sprach von einer “bösartigen Unterstellung von interessierter Seite”, dass mit der Anwendung der Definition die Meinungsfreiheit eingeschränkt würde.
Die Kritik an der Resolution war im Vorfeld des Beschlusses auch außerhalb des Parlaments nicht ohne Widerspruch geblieben. Der jüdische Verein WerteInitiative erklärte zusammen mit anderen Organisationen wie der Deutsch-Israelischen Gesellschaft oder der Amadeu Antonio Stiftung, man beobachte die Angriffe “mit großer Irritation”. Die Debatte habe “absurde Züge” angenommen. Offene und klare Kommunikation jener, die von Antisemitismus betroffen seien, werde mitunter als “unredliche Einflussnahme dargestellt”.
Die Antisemitismusbeauftragten aus Bund und Ländern lobten zuvor, die Resolution schaffe mehr Klarheit. Sie sei “eine sinnvolle Grundlage für dringend notwendige Maßnahmen, mit denen Antisemitismus in allen Bereichen effektiv bekämpft und zurückgedrängt werden kann”, erklärten sie. Der Bundesbeauftragte Felix Klein betonte, dass politisch begründete Kritik am Handeln der israelischen Regierung jederzeit möglich sei und bleibe.
Die Fraktionen der Ampel und der Union hatten monatelang über die Resolution verhandelt. Ursprünglich hatte sie als Reaktion auf das Hamas-Massaker vom 7. Oktober 2023 bereits am 9. November vergangenen Jahres verabschiedet werden sollen.