Wie kann kulturelle Integration in Deutschland gelingen? Schon 2017 veröffentlichte ein Bündnis 15 Thesen dazu. Nun wurden sie überarbeitet und dem Bundeskanzler übergeben. Einige Änderungen sind bemerkenswert.
Geschlechter sollen gleichberechtigt sein, Kunstfreiheit gewährleistet und bürgerliches Engagement gestärkt werden. Erneut hat die Initiative kulturelle Integration 15 Thesen an die Bundesregierung übergeben. Diese sollen den gesellschaftlichen Zusammenhalt sowie die Integration in Deutschland stärken. Am Montag nahm Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt das Papier in Vertretung für Bundeskanzler Olaf Scholz (beide SPD) entgegen. Scholz hatte wegen einer Corona-Erkrankung abgesagt.
Ein solches Thesenpapier hatte die Initiative bereits im Mai 2017 vorgelegt. Diese Version sei auf Grund aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen wie der Debatte um Fachkräftegewinnung und Integration nun ergänzt und überarbeitet worden, hieß es von den Initiatoren. Deutlicher fällt nun etwa die Verurteilung von Populismus und politischem oder religiösem Extremismus aus. So taucht in der Neufassung der Begriff der “wehrhaften Demokratie” auf, die sich “entschieden gegen jede Form von Extremismus und Demokratiefeindlichkeit” stellen müsse.
Auch bei anderen Ergänzungen lassen sich gesellschaftliche Diskussionen der vergangenen Jahre ablesen. Im Abschnitt über die Kunstfreiheit wird diese weiterhin als unverzichtbar genannt. Gleichzeitig ist jedoch angefügt, dass sie “nicht als Deckmantel für gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit benutzt werden” dürfe. Kultureinrichtungen und -veranstaltungen trügen dafür die Verantwortung. Hier dürfte sich die Debatte um antisemitische Kunstwerke bei der vergangenen Weltkunstausstellung documenta in Kassel widerspiegeln.
In puncto Gleichberechtigung wird ferner nun auch der LGBTQ-Bewegung Rechnung getragen. “Das gesellschaftliche Verständnis von Geschlecht hat sich in den letzten Jahren verändert. Dazu gehört auch, die Akzeptanz und den Schutz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt zu stärken”, heißt es in dem aktuellen Thesenpapier. Staat und Gesellschaft hätten die Aufgabe, “Geschlechtergerechtigkeit in all ihren Facetten zu verwirklichen und bestehenden Benachteiligungen entgegenzuwirken”.
Der 2016 gegründeten Initiative gehören den Angaben zufolge 28 Organisationen und Institutionen an, darunter die Sender ARD und ZDF, der Deutsche Kulturrat, mehrere Bundesministerien sowie die Deutsche Bischofskonferenz, die Evangelische Kirche in Deutschland, der Zentralrat der Juden und der Koordinationsrat der Muslime.
Der Einfluss der Glaubensgemeinschaften auf das Dokument zeigt sich etwa in der These über den Beitrag von Religionen zur Integration. Die Unterzeichner führen aus, dass Staat und Religion in Deutschland zwar getrennt, aber dennoch aufeinander bezogen seien. “Den Religionsgemeinschaften wird die Möglichkeit gegeben, in der Öffentlichkeit sichtbar aufzutreten und aktiv am gesellschaftlichen Leben mitzuwirken. Zugleich unterliegen sie den geltenden rechtsstaatlichen Regeln und einem öffentlichen Diskurs.” Ökumenische Verständigung und interreligiöser Dialog müssten deshalb gestärkt werden.