Sommer und Sonne locken jedes Jahr viele Menschen an den Strand und ins Freibad. Doch ist nahtlose Bräune wirklich eine gute Idee? Die promovierte Gesundheitswissenschaftlerin Inga-Marie Hübner gehört zum Vorstand der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Prävention in Buxtehude und rät Urlaubern und Daheimgebliebenen zur Vorsicht in der prallen Sonne – denn die UV-Strahlung kann zum Krebsrisiko werden.
epd: Frau Hübner, mit welchen Sonnenschutz-Mythen möchten Sie am liebsten aufräumen?
Inga-Marie Hübner: Ein großer Mythos ist, dass Bräune angeblich gesund sei. Braune Haut wird vielfach mit Schönheit, Gesundheit und Attraktivität assoziiert. Aus rein dermatologischer oder gesundheitswissenschaftlicher Sicht ist das überhaupt nicht haltbar. Bräune ist auf keinen Fall gesund. Es gibt keine gesunde Bräune. Braun sein bedeutet immer, dass die Haut einen Hilferuf ausgesendet und einen Abwehrmechanismus in Gang gesetzt hat.
Denn UV-Strahlung zerstört unsere DNA, wenn sie auf die Hautzellen trifft. Das lässt unser Körper nicht einfach zu. Deshalb bildet er sozusagen lauter kleine Sonnenschirme, die in jeder einzelnen Zelle produziert werden. Das ist die braune Farbe. Braun sein bedeutet also nichts anderes, als dass unser Körper in eine Hab-Acht-Stellung gegangen ist und versucht hat, sich selbst zu schützen. Allerdings kann unser Körper nicht sämtliche UV-Strahlung abhalten. Irgendwann ist er überfordert. Und dann entstehen DNA-Schäden in unseren Zellen. Dadurch steigt das Hautkrebs-Risiko.
epd: Kann Sonnencreme helfen?
Hübner: Viele Menschen sagen ja sofort: Klar, ich benutze immer Sonnencreme. Aus Experten-Sicht ist Sonnencreme aber eine nachgeordnete Empfehlung. Wichtiger ist es, starke UV-Strahlung zu meiden und geeignete Kleidung zu tragen. Ein Problem ist auch die Art, wie viele Menschen die Sonnenschutz-Mittel anwenden. Sie führt leider nicht zu dem erhofften Schutz.
Um den auf der Packung angegebenen Lichtschutzfaktor zu erreichen, brauchen wir zum Beispiel sehr viel Sonnencreme. Bei einem Erwachsenen ist das ungefähr eine Fünftel-Packung für den ganzen Körper. So viel nimmt allerdings so gut wie niemand. Wenn wir aber nur die Hälfte der gewünschten Menge auftragen, reduziert sich auch die Schutzleistung. Statt eines Lichtschutzfaktors 50 haben wir dann nur noch 25. Zudem führen Sonnenschutz-Mittel häufig auch dazu, dass wir unseren Aufenthalt in der Sonne verlängern. Und das ist ja auch nicht Sinn der Sache.
epd: Viele Menschen sagen, der Körper braucht Vitamin D, das ja durch die Sonne angeregt wird. Was ist denn da dran?
Hübner: Ja, der Körper braucht Vitamin D. Und die UV-Strahlung führt tatsächlich dazu, dass das körpereigene Vitamin D synthetisiert werden kann. Deswegen glauben ja so viele Menschen, sie müssten sich ungeschützt in die Sonne legen. Wir haben aber schon vor einiger Zeit zusammen mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen medizinischen Fachgebieten wie Kinderärzten oder Ernährungswissenschaftlerinnen eine Empfehlung dazu herausgegeben. Und die besagt: Es ist gar nicht so viel UV-Strahlung nötig, um die Produktion von Vitamin D anzuregen. Für Hauttyp 2 oder 3, also helle bis hellbraune Haut, reichen tatsächlich zwölf Minuten pro Tag, in denen die Hände oder das Gesicht unbedeckt sind, um genügend Vitamin D zu produzieren.
epd: Trägt auch der Klimawandel zu einem erhöhten Hautkrebs-Risiko bei?
Hübner: Ja, denn er hat Einfluss auf die UV-Bestrahlung. Wir wissen auf Basis von Auswertungsdaten von Messstationen des Bundesamtes für Strahlenschutz, dass die bodennahe UV-Belastung in den vergangenen 30 Jahren stetig gewachsen ist. Das liegt von allem daran, dass die Bewölkung abnimmt. Dadurch haben wir mehr wolkenfreie Tage, so dass uns mehr UV-Strahlung trifft. Ob wir die wirklich abbekommen, hängt natürlich auch stark von unserem Verhalten ab. Wenn es draußen 35 Grad sind, gehe ich ja nicht unbedingt in die pralle Sonne. In der Summe können wir aber schon davon ausgehen, dass unser Hautkrebs-Risiko durch den Klimawandel steigt.
epd: Ist Hautkrebs heilbar oder ein Todesurteil, wie man früher dachte?
Hübner: Hautkrebs ist heilbar in verschiedenen Stadien. Wir unterscheiden den hellen Hautkrebs und den schwarzen Hautkrebs. Gerade der weiße Hautkrebs ist gut behandelbar, und auch für den schwarzen Hautkrebs, das sogenannte maligne Melanom, haben wir gute Therapien, die umso erfolgversprechender sind, je früher der Krebs erkannt wird. Trotzdem haben wir Todesfälle, die aus all diesen verschiedenen Hautkrebsfällen resultieren. Wobei man sagen muss: Das maligne Melanom hat eine höhere Todesrate als die anderen Hautkrebse, weil es einfach häufiger Metastasen bildet.
epd: Also: Lieber blass als braun?