Was will Donald Trump, wenn er vom Eintritt in ein neues Goldenes Zeitalter schwadroniert? Die Vorstellungen davon sind in den vergangenen 3.000 Jahren Kulturgeschichte durchaus unterschiedlich gewesen. Auch in Amerika.
Was haben Ovid, Donald Trump und Mark Twain miteinander zu tun? Nun, nicht sehr viel – aber sie haben sich alle drei intensiv mit dem “Goldenen Zeitalter” beschäftigt. Allerdings ist Trump der einzige von ihnen, der die Prophezeiung eines neuen Ausbruchs auf sich selbst bezieht. Was der neue US-Präsident am Montag bei seinem Amtsantritt schwadronierte, ist jedenfalls nicht ohne Ironien aus der Geschichte – auch der der USA.
Das “Goldene Zeitalter” ist ein gängiges Bild aus der antiken Mythologie, das von der griechischen in die römische Kultur und über das christliche Mittelalter bis in unsere Zeit weitergegeben wurde. Vor der Ausbildung von Kulturen und Gesellschaften, so die Vorstellung, befanden sich die Menschen in einem als ideal gezeichneten Zustand von Frieden und Sorglosigkeit, frei von Konflikten und Problemen; sozusagen im Garten Eden. Verbrechen und Sünde? Unbekannt. Die Natur sorgte für alles, was zum Leben nötig war.
In den Epochen danach setzte dann aber ein immer weitergehender Verfall ein; biblisch gesprochen die Vertreibung aus dem Paradies. Die Menschen verkamen in Gier und Unmoral, und mit ihnen die Welt, die sie umgab. Wird dieser Niedergang weitergehen, oder wird nun bald ein neues “Goldenes Zeitalter” (lateinisch “aurea aetas”) von Frieden und Harmonie anbrechen? Darin sind sich die Autoren der Antike – Hesiod, Empedokles, Platon, Aristoteles, Vergil, Horaz, Ovid, Laktanz – nicht einig. Doch darin schon: In der jeweiligen Gegenwart ist auf jeden Fall ein bisheriger Tiefpunkt erreicht.
Im Laufe der Zeit wurde der Begriff “Goldenes Zeitalter” mehr und mehr auch im übertragenen Sinne verwandt: zur Bezeichnung einer Blütezeit in Kultur, Wirtschaft oder Politik. Schon im antiken Griechenland wurde freilich das beschworene paradiesische Leben im “Goldenen Zeitalter” in der Komödie durchaus verspottet. Es entstand das Motiv des Schlaraffenlandes. Das bescheidene Leben in der Natur trat zurück; die Natur der Urzeit gab im Überfluss, und der Mensch wurde faul und gierig.
Hier kommt nun Donald Trump ins Spiel. Was meint er mit einem neuen “Goldenen Zeitalter”? Und für wen soll es gelten? Für alle in den USA? Für alle US-Amerikaner? Trumps Landsmann Mark Twain (1835-1910) hat sich ebenfalls ausführlich mit der Weltsicht des Goldenen Zeitalters beschäftigt. Twain, der Inbegriff des US-Schriftstellers überhaupt, war ein überaus sorgfältiger und scharfzüngiger Beobachter des amerikanischen Wesens und seiner Gesellschaft. Ein Fokus lag auf Rassismus, Verlogenheit und Korruption.
Für die Zeit, in der er lebte und schrieb, prägte Twain den Begriff “Gilded Age” – “Vergoldetes Zeitalter”. Denn es war eben nicht alles Gold, was glänzte. Und vor allem: Es glänzte nicht für alle. Die Jahrzehnte nach dem Amerikanischen Bürgerkrieg (1861-1865) waren zwar geprägt von neuen, bahnbrechenden Erfindungen, von Telefon über Kunststoff bis Glühbirne und Investment-Banking. Industriemagnaten wie Andrew Carnegie, John D. Rockefeller oder Cornelius Vanderbilt machten Millionen mit Stahl, Öl oder dem Bau der transkontinentalen Eisenbahn.
Zugleich aber gab es millionenfache Einwanderung. Nach Kriegsende kamen bis 1890 mehr als zehn Millionen Immigranten allein aus Europa; bis 1920 waren es noch einmal mehr als 15 Millionen. In den großen Städten, wie in New York, entstanden wachsende Armenviertel. Die Vereinigten Staaten, die in der Selbstwahrnehmung für Freiheit und Gleichheit standen, bekamen es nun zu tun mit klaffenden sozialen Ungleichheiten und gravierender politischer Korruption.