20 Jahre nach Kriegsende ein mutiger Schritt. 1965 schrieben deutsche und polnische Bischöfe einander bewegende Briefe. Der Görlitzer Bischof Wolfgang Ipolt spricht über die anhaltende Bedeutung dieser Versöhnungsgeste.
Als vor 60 Jahren die polnischen Bischöfe einen Brief an die deutschen Bischöfe schickten, löste das ein regelrechtes Beben aus. 20 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, in dem Polen viel Leid durch Deutschland erfahren hatte, schrieb die polnische Seite: “Wir vergeben und bitten um Vergebung”, und streckte die Hand zur Versöhnung aus. Und die Deutschen antworteten. Der Görlitzer Bischof Wolfgang Ipolt, dessen Bistum an der polnischen Grenze liegt, erläutert im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) die anhaltende Bedeutung des Briefwechsels, den aktuellen Stand der Beziehungen und wie das Jubiläum begangen werden soll.
Frage: Herr Bischof Ipolt, in diesem Jahr jährt sich der Briefwechsel zwischen den deutschen und den polnischen Bischöfen zum 60. Mal. Wie wichtig ist dieser Briefwechsel noch?
Antwort: Die Briefe wurden 1965, kurz vor Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils geschrieben: Das war gerade einmal 20 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Wir Deutschen hatten dem polnischen Volk viel Leid zugefügt. Und da kommen polnische Bischöfe auf den Gedanken: Wir schreiben den Deutschen jetzt einen Brief, in dem wir die Hand zur Versöhnung ausstrecken. Die deutschen beim Konzil anwesenden Bischöfe antworteten ihren Mitbrüdern noch vor dem Ende des Konzils. Das alles war damals für viele noch unvorstellbar. Aus heutiger Sicht wird man sagen müssen: Es war der Beginn der Versöhnung zwischen unseren beiden Völkern.
Frage: Wie wird man dieses Jubiläum begehen?
Antwort: Wir werden aus diesem Anlass am 18. November 2025 eine gemeinsame Veranstaltung der Deutschen und der Polnischen Bischofskonferenz in Breslau durchführen. Das ist dann exakt der Tag, auf den der Brief datiert wurde. Geplant sind auch eine kleine Ausstellung und eine gemeinsame Erklärung der Bischöfe zu diesem 60-jährigen Jubiläum des Briefwechsels. Die polnischen Bischöfe haben vor einiger Zeit versucht, den Briefwechsel als immaterielles Kulturerbe der Unesco anerkennen zu lassen. Darauf haben sie aber noch keine Antwort bekommen.
Frage: Unterstützen die deutschen Bischöfe dieses Anliegen?
Antwort: Ich denke schon, dass es dem Anliegen helfen würde, wenn auch wir uns dafür einsetzten. Wichtig ist jedenfalls, dass die Bedeutung der beiden Schreiben ungebrochen ist. Auch die deutschen Bischöfe haben ja damals sofort auf den Brief reagiert, sich nachts zusammengesetzt und eine Antwort formuliert. Auch wenn die Bischöfe in beiden Ländern damals für manche Formulierungen in den Briefen stark kritisiert wurden – ohne diesen Briefwechsel hätte sich das Verhältnis zwischen Deutschen und Polen möglicherweise anders entwickelt.
Frage: Wie sehen Sie denn heute das Verhältnis zu Ihren polnischen Amtsbrüdern?
Antwort: Wir pflegen einen sehr entspannten und brüderlichen Umgang. Ich bin immer wieder in Polen zu Gast – zuletzt bei einem Berggottesdienst auf der Schneekoppe im Riesengebirge. Jedes Mal höre ich auch, was die polnischen Bischöfe derzeit umtreibt: Auch sie erleben Abbrüche im Glauben in einem Land, das ja eigentlich traditionell katholisch war. Der Gottesdienstbesuch geht zurück, dazu kommt die Frage des Religionsunterrichts, den der polnische Staat auf eine Stunde pro Woche gekürzt hat.
Als Deutsche können wir da solidarisch sein: Die immer säkularer werdende Gesellschaft erleben wir hier bei uns ja schon lange. Wir können dann unsere Erfahrungen weitergeben. Kirche kann man auch bauen und leben, wenn bestimmte staatliche Privilegien entfallen oder manche Unterstützung wegbricht.
Frage: Verändert sich die polnische Identität gerade?
Antwort: Es gibt zumindest auch in Polen zunehmend Menschen, die sich nicht mehr als Christen bekennen. Ich bin vorsichtig, da direkt von einem Identitätswandel zu sprechen, denn Polen hat einfach eine andere Geschichte. Daran können sie – auch unter veränderten Verhältnissen – immer anknüpfen.
Frage: Und wenn Ihre polnischen Amtsbrüder fragen? Wofür interessieren die sich?
Antwort: Natürlich für den Synodalen Weg in Deutschland, aber auch für die Priesterausbildung. Wie macht ihr das in Deutschland mit wenigen Kandidaten. Darüber habe ich erst kürzlich mit dem Bischof von Liegnitz gesprochen. Es interessieren auch die Fragen des Religionsunterrichtes und der damit verbundenen Herausforderungen. Ich erlebe ja in meinem Bistum insbesondere in Brandenburg, wo der Religionsunterricht kein ordentliches Schulfach ist, wie schwer es ist, an seiner Stelle eine geordnete Katechese aufzubauen. Aus meiner persönlichen Sicht sind aber Veränderungen kein Grund, in Panik zu verfallen. Jede Veränderung ist eine Chance, etwas Neues daraus wachsen zu lassen.
Frage: Spüren Sie im Gespräch mit den katholischen Bischöfen, den katholischen Christen in Polen irgendetwas von den Spannungen rund um die Grenzkontrollen und die große Politik?
Antwort: Nein. Wenn ich mich mit unseren polnischen Partnern unterhalte, schmunzeln sie gelassen und sagen: “Das wird schon wieder vorbeigehen.” Es ist ein Versuch, um die Migration zu begrenzen und zu ordnen. Ob es hilfreich ist und ob es funktioniert, das wird man sehen.