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Bewegte Plastiken

Raumgreifende Gestik, spannungsvoll gedehnte Körper, bewegte Oberflächen: Die Skulpturen in der neuen Ausstellung des Bremer Paula Modersohn-Becker Museums spiegeln ganz die impressionistische Bildhauerei, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts die moderne Kunstszene in Paris begeisterte. Von Samstag an und bis zum 18 Mai sind in der Hansestadt Arbeiten von Camille Claudel (1864-1943) und Bernhard Hoetger (1874-1949) zu sehen. „Meisterwerke von Claudel treffen auf Hoetgers wenig bekanntes Frühwerk“, sagte am Donnerstag Museumsdirektor Frank Schmidt.

Im Vordergrund der Doppelausstellung unter dem Titel „Camille Claudel und Bernhard Hoetger. Emanzipation von Rodin“ steht die gemeinsame Geschichte der französischen Bildhauerin und des deutschen Künstlers, die 1905 begann. Damals zeigte der einflussreiche Galerist Eugène Blot (1857-1938) in seinen Räumen am Pariser Boulevard de la Madeleine Werke der beiden Künstlerpersönlichkeiten, ein fast vergessenes Ereignis. „In der Rückschau war das der Anfangs- und der Endpunkt der Karrieren von Hoetger und Claudel“, verdeutlichte Schmidt.

Es gehe in der Schau mit mehr als 50 Skulpturen und knapp zehn Aquarellen in fünf Sälen aber auch um die Rolle von Auguste Rodin (1840-1917) als Vorbild und Übervater der Bildhauerei, ergänzte der Kunsthistoriker. Nach dem Auftakt in Bremen soll die Ausstellung seinen Worten zufolge in der Alten Nationalgalerie Berlin und ab Herbst im Musée Camille Claudel in Nogent-sur-Seine östlich von Paris gezeigt werden.

Die Schau wolle die zentralen Schaffensphasen beider Künstlerpersönlichkeiten einer breiten Öffentlichkeit vorstellen, führte Schmidt aus und betonte: „Sie ist die umfangreichste Präsentation der Werke von Claudel in Deutschland seit fast 20 Jahren.“

Claudel war Schülerin, Geliebte und Mitarbeiterin von Rodin. Auch Hoetger orientierte sich an der impressionistischen Formensprache des berühmten Franzosen. „Später trennte sich Claudel von Rodin, beide strebten nach Emanzipation“, betonte Kuratorin Henrike Hans. „Dabei entwickelten sie eine künstlerische Vitalität, die internationale Strahlkraft entfalten sollte und bis heute nachwirkt.“

Besonders sehenswert ist der dritte Saal, der die Ausstellung von 1905 inszeniert. Insgesamt wird die deutsch-französische Schau bestimmt durch den Ausdruck impressionistischer Plastiken, ergänzt durch Studien in Aquarelltechnik. Sie beschäftigt sich aber auch mit dem Kunstmarkt der damaligen Zeit. So erwarb der Galerist Eugène Blot von Künstlerinnen und Künstlern Lizensen für deren Entwürfe und bot Bronzegüsse in verkleinertem Maßstab und unterschiedlichen Fassungen in einer Auflage von meist nicht mehr als 50 Exemplaren an.

„Die Bronzen ließen die Grenze zwischen autonomer und dekorativer Kunst verschwimmen“, sagte Schmidt. Für Camille Claudel und Bernhard Hoetger habe die Begegnung mit Blot somit nicht nur eine neue Ausstellungschance eröffnet, sondern vor allem eine wichtige Vertriebs- und Verkaufsmöglichkeit. Allerdings sei die Ausstellung wirtschaftlich nicht sehr erfolgreich gewesen: „Immerhin wurden von Claudel bis 1936 rund 40 Prozent der ursprünglich vorgesehenen Auflagen tatsächlich gegossen, bei Hoetger waren es 34 Prozent.“