Die Berichterstattung über Gewalt gegen Frauen beschreibt die Taten immer noch zu sehr als isolierte Einzelfälle und blende Partnerschaftsgewalt weiterhin zu häufig aus, kritisiert eine Studie der Otto-Brenner-Stiftung.
Die Berichterstattung über Gewalt gegen Frauen in deutschen Zeitungen und Zeitschriften verharrt weiter zu sehr bei der Darstellung “tragischer Einzelfälle”. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Kommunikationswissenschaftlerin Christine Meltzer von der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover im Auftrag der Otto-Brenner Stiftung. Eine strukturelle Auseinandersetzung mit der Alltäglichkeit und Vielschichtigkeit von Gewalt gegen Frauen finde in der deutschsprachigen Berichterstattung “nur sehr selten statt”, heißt es in der am Donnerstag in Frankfurt vorgestellten Studie “Tragische Einzelfälle? Trendreport zur Berichterstattung über Gewalt gegen Frauen”.
Aktuelle Statistiken zeigten dagegen, dass in Deutschland jeden Tag mehr als 140 Frauen sexualisierte Gewalt erleben, alle drei Minuten eine Frau von häuslicher Gewalt betroffen ist und nahezu täglich eine Frau Opfer eines Femizids wird, heißt es in der Untersuchung.
In den ausgewerteten 3.172 Artikeln, die zwischen 2020 bis 2022 in verschiedenen Medientypen erschienen, dominierten weiter vor allem Berichte, die Gewalttaten als isolierte Einzelfälle beschrieben und sich meist auf Tötungsdelikte fokussierten. “Andere Gewaltformen kommen in der medialen Realität zu wenig vor”, bilanziert die Untersuchung.
“Insgesamt bleibt Partnerschaftsgewalt im Vergleich zu ihrem realen Ausmaß in den Medien deutlich unterrepräsentiert”; die Perspektive der Opfer bleibe medial marginalisiert. “In der Gesamtschau wird deutlich: Es gibt ein durchaus hohes Ausmaß an Berichterstattung über Gewalt gegen Frauen, doch Nachrichtenwert erhält diese erst, wenn sie eine extreme Form aufweist”, heißt es in “Tragische Einzelfälle?”.
Für die Untersuchung wurde die Berichterstattung in regionalen wie überregionalen Zeitungen, in der Boulevardpresse, bei Spiegel Online so wie der Nachrichtenagentur dpa im Rahmen einer quantitativen Inhaltsanalyse ausgewertet. Sie schließt an die von Meltzer für die Otto Brenner Stiftung 2021 vorgelegte Analyse über die Jahre 2015 bis 2019 an. Die Berichterstattung in Radio und Fernsehen war nicht Gegenstand der Untersuchung.
“Einige wenige Tendenzen weisen in die richtige Richtung, insgesamt hat sich nur wenig geändert. Und das ist ein Problem”, so Meltzers Fazit. So sei in den Jahren 2020 bis 2022 im Kontext von Partnerschaftsgewalt gegenüber den Vorjahren etwas häufiger über Körperverletzungen berichtet worden. Gewaltformen wie psychische und finanzielle Kontrolle wurden jedoch kaum thematisiert.