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Atmen – So banal wie genial

Achtsamkeit, Kreativität und Erfolg: Führungsstärke durch Atmung, geht das? Der Management-Coach und Achtsamkeits-Experte Christoph Glaser zeigt auf, was bewusste Atmung über den Umgang mit Menschen und Führung verrät.

Es ist das Erste, was Menschen überhaupt tun – atmen. Im ganzen Leben wird statistisch gesehen eine halbe Milliarde mal ein- und ausgeatmet. Doch warum den Fokus auf das Atmen lenken, funktioniert es doch – bei gesunden Menschen – von ganz allein? “Weil wir das, was uns in die Wiege gelegt wurde – das richtige, den Körper und den Geist bewegende Atmen – schlichtweg verlernen”, sagt Christoph Glaser. Sein Buch “Atmen. Der Schlüssel zur erfolgreichen und gesunden Führung” ist vor kurzem erschienen.

Glaser zufolge ist der moderne Lebensstil für dieses Verlernen verantwortlich. Stress und Hektik prägten den Alltag; alles müsse schnell gehen. Wer ständig unter Strom stehe, atme unbewusst zu flach und zu schnell, meist nur bis zum Brustkorb anstatt in den Bauch. Diese sogenannte Stressatmung versetze den Körper dauerhaft in Alarmbereitschaft. Doch damit nicht genug: Das Nervensystem werde zusätzlich belastet, die innere Unruhe wachse.

“Durch gezielte Atemtechniken kann man sich wieder mit der natürlichen, tiefen Atmung verbinden, was sich positiv auf unser Wohlbefinden auswirkt, und Stress reduziert”, erklärt der Autor. Beispielsweise werde die “4-7-8-Atmung” empfohlen: vier Sekunden lang einatmen, den Atem für sieben Sekunden anhalten und anschließend acht Sekunden lang ausatmen. Dieser Atemrhythmus wirke sich beruhigend auf das Nervensystem aus, reduziere unmittelbar Stress und sorge für einen klaren Kopf.

Glaser ist Management-Coach und Achtsamkeits-Experte. Seine Grundannahme: Gezieltes Atemtraining ist das Fundament für Selbstfürsorge – und damit einhergehend auch für die Führung anderer.

So schildert der Autor das Beispiel einer erfahrenen Managerin. Sarahs Erfolgsrezept war geprägt von harter Arbeit, Entschlossenheit und strengem Vorgehen. Ein neues, innovatives Projekt, das sie leiten sollte, erforderte Kreativität, Flexibilität und die Fähigkeit, Unsicherheiten zuzulassen – nicht unbedingt die Kernkompetenzen der Führungskraft. Sie ging das Projekt mit ihrer gewohnten Herangehensweise an: enger Zeitplan, klar definierte Ziele und strikte Kontrollmechanismen.

Bald zeigten sich Probleme, die Teammitglieder konnten nicht kreativ sein durch die starren Richtlinien. Mangelnde Flexibilität bei unvorhergesehenen Herausforderungen führten zu Frust und Unzufriedenheit. Sarah erkannte, ihr herkömmlicher Führungsstil war für dieses Projekt nicht geeignet. Dennoch verfiel sie immer wieder in das alte Muster. “Transformation braucht eben mehr als nur Selbsterkenntnis und einen guten Plan”, sagt Glaser. “Es braucht ein fortwährendes Gewahrsein, um eine bewusste Handlung vorzunehmen, die der aktuellen Realität angemessen ist.”

Für ein solch “kreatives Mindset” brauche es allerdings “inneren Raum”. Hier liege die Macht jedes und jeder Einzelnen, die eigene Reaktion zu wählen, um frei zu entscheiden und so zu wachsen. Zudem brauche man in heiklen Situationen Klarheit und Präsenz. “Und dann entscheiden wir in einer Millisekunde, bewusst – und nicht im Autopiloten -, wie wir als nächstes handeln”, erklärt Glaser. Die von ihm beschriebene Sarah begann Atemtechniken zu praktizieren – was ihr half, präsent zu sein und wahrzunehmen, wenn sich reaktive Muster zeigten.

Glasers Zwölf-Minuten-Methode soll dabei helfen, Ruhe und Klarheit zu finden, eine sogenannte Zeitinsel als Rückzug aus dem Alltag zu schaffen, um bei sich selbst anzukommen: Im ersten Schritt werde der Bereich des parasympathischen Nervensystems angesprochen, mit dem Ziel, sich zu entspannen und die Emotionen zu regulieren. Im zweiten Schritt folgen Atemübungen, die für neue Energie sorgen. Die Übung schließt mit einem Body-Scan – eine Übung, bei der man den Körper achtsam wahrnehmen lernt – um die Präsenz und innere Klarheit zu erhöhen.

Laut Glaser zeigen Studien, dass sogenannte High Performer eine hohe emotionale Intelligenz besitzen. Diese könne man wie einen Muskel trainieren – insbesondere durch Atemtechniken.