Was bedeutet es, in Frankreich eine schwarze Hautfarbe zu haben? Der französische Komiker Jean-Pascal Zadi seziert in Form der Mockumentary “Einfach schwarz” gesellschaftliche Schieflagen.
Der Influencer Jean-Pascal Zadi steht mit einem Kamerateam vor dem Rathaus in Paris und verlangt nach der Bürgermeisterin. Er wolle einen Protestmarsch organisieren, um darauf hinzuweisen, dass Schwarze wie er in den französischen Medien quasi nicht vorkommen, erklärt er sich den Wachen vor dem Gebäude. Die Bürgermeisterin solle sein Ansinnen jetzt genehmigen. Dass er dafür einen Termin braucht, interessiert den Bürgerrechtsaktivisten herzlich wenig; er provoziert eine Szene, die damit endet, dass er von der Polizei zu Boden gerungen und abgeführt wird. Nicht nur Zadis Kamerateam filmt den Vorfall, auch viele Passanten haben ihr Handy gezückt.
Die Bilder, mit denen der französische Film “Einfach schwarz” eröffnet, kommen einem bekannt vor: Die Handyaufnahmen von der Ermordung des US-Amerikaners George Floyd im Mai 2020 hallen darin wider. Die #BlackLivesMatter-Bewegung wurde in Frankreich besonders aufmerksam aufgenommen, denn hier löste 2016 der Tod von Adama Traore, der in Polizeigewahrsam unter ähnlichen Umständen wie Floyd starb, eine eigene Protestwelle aus.
Der Schock sitzt noch tief in einer Gesellschaft, die auf dem Motto von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit fußt. Jean-Pascal Zadi will seinen Protest deshalb auf der Place de la Republique abhalten und die Staat gewordene Heuchelei anprangern. Arte zeigt seinen Film am 11. September um 00.40 Uhr.
Der Clou an “Einfach schwarz” ist, dass der Schauspieler und Influencer Zadi eine fiktionalisierte Version seiner selbst spielt – JP. Der Film ist als Mockumentary inszeniert, also als fiktiver Dokumentarfilm, der JPs Versuch begleitet, den Protestmarsch zu verwirklichen. Zadi hat auch das Drehbuch geschrieben, John Wax hat die Regie übernommen.
Die scheinbare Deckungsgleichheit von Realität und Filmwelt ermöglicht es Zadi, tief in die französische Medienwelt einzutauchen. Hier wirbt er um prominente Unterstützer für sein Projekt und deckt nicht nur gesellschaftliche Missstände auf, sondern auch die Bigotterie einer Industrie, die diese in ihren Inhalten anprangert, aber in den eigenen Strukturen reproduziert.
Der fiktionalisierte Jean-Pascal changiert in seiner Rolle zwischen Aktivismus und Opportunismus und macht dabei deutlich, dass Aktivismus oft kein klares Feindbild haben kann, sondern darüber hinausdenken muss. “Einfach schwarz” ist eben nicht immer so einfach, wie JP denkt; der Film wird dadurch zu einer geradezu subversiven Burleske, die ihre Message in diesem dauernden Scheitern und unbeirrten Wiederaufrappeln transportiert.
Szenen von ungelenker Komik gehen dabei fließend in beklemmende Bilder realer Unterdrückung über. Etwa wenn JP zu einem Casting bei Mathieu Kassovitz vorspricht, der 1995 mit dem Banlieue-Drama “Hass” seinen Durchbruch feierte. JP ist ihm “nicht schwarz genug” für einen Sklavenfilm; er sei ja kein Afrikaner aus Afrika, sondern aus Paris. Stereotype Rollen erzeugen stereotype Castings und schreiben rassistisches Verhalten fort: Dealer, Vergewaltiger oder religiöser Terrorist – das sind die einzigen Rollen, die JP angeboten werden.
Eine beachtliche Anzahl von französischen Stars spielen sich hier mit viel Ironie selbst, etwa Schauspieler wie Joey Starr, Ramzy Bedia und Jonathan Cohen, der Komiker Fary oder der Fußballer Lilian Thuram. Die beiden Regisseure Fabrice Eboue und Lucien Jean-Baptiste liefern sich in einer der am stärkten überzeichneten Szenen einen urkomischen und zugleich erbitterten Streit darüber, wer von beiden rassistischer oder anbiedernder sei.
Das Entwaffnende an “Einfach schwarz” ist jedoch, dass JP selbst vor dieser Doppelmoral niemals gefeit ist und sich im Verlauf seiner Arbeit in einige Widersprüche verstrickt. Dabei entsteht eine Aneinanderreihung gleichermaßen witziger wie bitterer Missgeschicke, die JPs ernst gemeinter und wohlwollender Intention andere Machismen, Diskriminierungen und eine größenwahnsinnige Ader entgegenstellen: “In den USA gab es Martin Luther King, in Südafrika Nelson Mandela. In Frankreich soll es nun Jean-Pascal Zadi geben.”
In einer Kneipendiskussion über die Schattierungen schwarzer Haut erweist sich seine Definition von “schwarz” als kaum haltbar. Und die Komikerin Claudia Tagbo rastet in ihrer Garderobe aus, als sie seine Begründung dafür hört, weshalb Frauen vom Protestmarsch ausgeschlossen werden sollen. Ihre Unterstützung in den Sozialen Medien sei natürlich trotzdem herzlich willkommen, beteuert JP einfältig – und doch überzeugt davon, für seine Community zu handeln. Für dieses Kippbild aus zwei Rollen hat der reale Jean-Pascal Zadi 2021 einen “Cesar” als bester Nachwuchsdarsteller erhalten.
Die Anspielungen auf französische Popkultur, Comedy und Sport sind recht spezifisch, fügen jedoch eine zusätzliche Ebene in Zadis Argumentation ein. Er schafft es auch jenseits dieser Sticheleien gegen die Unterhaltungsindustrie, die Absurdität der gläsernen Decken darzustellen, an die People of Color in der französischen Gesellschaft immer wieder stoßen.
Statt nur dem Geist der #BlackLivesMatter-Bewegung nachzulaufen, fragt Zadi danach, was diese Sensibilisierung in einem Land bedeutet, das zwar Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit als Basis behauptet, aber im Alltag weithin einer Diskriminierung huldigt. Für JP wird der Weg das Ziel, wenn er den US-Rapper Tupac Shakur zitiert und so auch seine eigene Rolle in dieser Bewegung einordnet: “Ich sage nicht, dass ich die Welt verändern werde, aber ich garantiere, dass ich den Funken entfache, der die Welt verändern wird.”