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ARD zeigt dänische Serie zum Zusammenleben in der Klimakrise

Wenn Oscarpreisträger Thomas Vinterberg sein Heimatland Dänemark im Klimakollaps versinken lässt, geht es ihm nicht um die Katastrophe an sich – sondern darum, was sie mit “Families Like Ours” macht.

Laura (Amaryllis August) steht im Zentrum der Serie "Families Like Ours"
Laura (Amaryllis August) steht im Zentrum der Serie "Families Like Ours"Zentropa Entertainments/StudioCanal/CANAL+/TV 2/ARD Degeto Film/Per Arnesen

Eine Seefahrt, die war lustig, eine Seefahrt, die war schön. Zumindest, als kleinstadtgroße Luxusliner Jahr für Jahr noch Abermillionen Erholungsbedürftige auf Lustreisen um den Globus entführt haben. Lange her. Während der Klimawandel in der neuen deutsch-dänischen Serie “Families Like Ours” längst bedrückende Gegenwart ist, kein fernes Zukunftsszenario, sind die vier Vergnügungsdampfer im Kopenhagener Hafen weiterhin proppenvoll. Ihre Passagiere allerdings flüchten nicht vorm Alltag ins Abendrot, sondern vorm Untergang ins Ungewisse.

Warum – das sieht man Freitag und Samstag in sieben Teilen im Ersten und ab Freitag auch komplett in der ARD-Mediathek. Denn die Erderwärmung, der Kreuzfahrtschiffe zurzeit ja buchstäblich Dampf machen, lässt den Meeresspiegel so zügig steigen, dass Küstengebiete wie Dänemark überlaufen. “Auf lange Sicht rentiert es sich nicht, uns zu sichern”, teilt der Regierungsangestellte Nikolaj (Esben Smed) behördliches Geheimwissen mit seinem Bruder Jacob (Nicolaj Lie Kaas). Deshalb sei es besser, “jetzt geordnet umzuziehen, als wenn es zu spät ist.” Und es ist zu spät. Denn kurz darauf wird Dänemark evakuiert.

ARD-Serie zum Klimawandel: Kampf um Solidarität und Asyl

Ein ebenso radikales wie beispielloses Unterfangen, das Regisseur Thomas Vinterberg nach eigenem Drehbuch zur siebenteiligen Odyssee einer Patchwork-Familie durch fünf Länder verdichtet. Im Zentrum steht Jacobs Tochter Laura (Amaryllis August), der mit bestandenem Abi und neuem Freund (Albert Rudbeck Lindhardt) die Welt offensteht. Da sechs Millionen Flüchtlinge auch die Barmherzigkeit befreundeter Nachbarn wie Norwegen oder Deutschland strapazieren, entbrennt ein Kampf um Solidarität und Asyl, in dem es einflussreiche, privilegierte, vermögende Sippen wie die des Kopenhagener Architekten naturgemäß leichter haben.

Die 19-jährige Laura (Amaryllis August) erfährt die Brutalität der Schleuser
Die 19-jährige Laura (Amaryllis August) erfährt die Brutalität der SchleuserZentropa Entertainments/StudioCanal/CANAL+/TV 2/ARD Degeto Film/Sturla Brandth Grøvlen

So scheint es zumindest, als Lauras geschiedene Mutter (Paprika Steen) ein Visum für Frankreich verweigert wird, das man “nur mit sehr hohem Mindesteinkommen plus Beschäftigungsverhältnis” erhält, wie die Auswanderungsbeamtin erklärt. Oder ersatzweise ein Heim in Bukarest – “acht Personen pro Wohnung”. Schlechte Zeiten für Mittellose wie Fanny. Doch je näher der Untergang ihrer wohlhabenden Heimat rückt, desto weniger Schäfchen bringt die Elite ins Trockene. Das Einzige, was beim Ringen um Refugien Halt bietet, scheint da die Familie zu sein.

“Families Like Ours” mit ein paar Übertreibungen

Anders als in seinem Debüt “Das Fest”, mit dem Thomas Vinterberg 1998 die Dogma-Bewegung gründen half, ist die Familie hier schließlich kein zänkischer Haufen egomaner Soziopathen, sondern ein gesunder Organismus wechselseitiger Hilfe. Das geht so weit, dass Laura den Studienplatz in Paris samt Lover sausen lässt, um Mama nach Rumänien zu begleiten. Wenn der Sozialfall Christel (Asta Kamma August) ihr (maximal achtjähriges) Kind in einer Nebenstory nicht aufs britische Fußballinternat begleiten darf, gönnt sich “Families Like Ours” zwar ein paar Übertreibungen, die das penetrante Vermelden dramaturgischer Entwicklungen durch Radionachrichten, Lautsprecherdurchsagen, Messenger-Texte nicht plausibler machen.

Auch dass der Totalausfall ihrer viertgrößten Volkswirtschaft kaum Auswirkungen auf die EU hat und die kollektive Ausweisung in einer geordneten Ruhe läuft, als ginge es um den Bettenwechsel einer Ferienhaussiedlung, ist mindestens merkwürdig. Hörbar protestiert wird jedenfalls erst am Ende der zweiten Folge, scharf geschossen am Anfang der dritten – hyggelige Skandinavier eben. Aber wenn sich ein Kinokünstler wie Vinterberg in seiner ersten TV-Serie solcher Kniffe bedient, scheinen sie womöglich alternativlos zu sein.

Ähnlichkeit zu “The Day After Tomorrow”

Schließlich durfte sich die Eskalation bei Vinterbergs oscarprämierten Suchtdrama “Der Rausch” ebenfalls eher heranschleichen als hineinzuplatzen. Bis auf den Dauerregen, der Dänemarks Sommer hier verhagelt, verhält sich die Meteorologie daher auffällig unauffällig – und räumt das Rampenlicht quasi für soziale Facetten solcher Katastrophen. Dass Angehörige reicher Staaten, die ihre Grenzen aktuell ja kollektiv schließen, in arme fliehen, hatte “The Day After Tomorrow” schon 2014 erzählt. Im Gegensatz zu Roland Emmerich aber degradiert Vinterberg hier menschliche Melodramen nicht zu Vehikeln aufgeblasener Spezialeffekte. Weil seine Sintflut weitgehend unsichtbar bleibt, hilft sie vielmehr der Coming-of-Age-Erzählung fast aller Beteiligten auf die Sprünge.

Anders als Disaster-Fiktionen von “Snowpiercer” und “Ökozid” über “Occupied” und “Fortitude” bis hin zu Leonardo DiCaprios pfiffiger Kometeneinschlagsanalogie “Don’t Look Up”, geht es “Families Like Ours” also sehr ersichtlich um das, was schon der Titel andeutet: Überlebensstrategien im Untergang und die Frage, wie viel Selbstlosigkeit der anthropologische Egoismus darin noch übrig lässt, wenn es wirklich ums Ganze geht. Dass Seefahrten dabei alles andere als lustig geraten, liegt auf der Hand. Auf unterhaltsame Art authentisch und vorwiegend glaubhaft sind sie umso mehr.

“Families Like Ours”: In der ARD am Freitag, 21. Februar, 23.10 Uhr (Folgen 1-4) und Samstag, 22. Februar, 23.40 Uhr (5-7),  ab 21. Februar komplett in der ARD-Mediathek.