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Als die Farbe sich vom Gegenstand befreite

Aufbruch und Optimismus wollten Maler – und wenige Malerinnen – nach dem Zweiten Weltkrieg mit ihren Werken vermitteln und lösten die Farbe noch weiter von den Gegenständen als es zuvor Impressionismus und Expressionismus getan hatten. Sie komponierten Farbfelder oder vertieften sich überhaupt nur in eine Farbe. Der französische Maler Yves Klein (1928-1962) entwickelte einen eigenen tiefblauen Farbton und der deutsche Rupprecht Geiger (1908 – 2009) malte mit Vorliebe in Rot. Er bezeichnete die Farbe als „Leben, Energie, Potenz, Macht, Liebe, Wärme, Kraft“. Von beiden Künstlern zeigt der Düsseldorfer Kunstpalast ab Mittwoch Werke in der Ausstellung „Farbrausch“.

Der Düsseldorfer Steuerberater Willi Kemp (1927-2020) hatte 3.000 Werke dieser Farbfeldmalerei sowie des Informel und anderer abstrakter Richtungen zusammengetragen und dem Kunstpalast vererbt. „Solche Mäzene sind in Zeiten, in denen Geld für Kultur knapp ist, besonders wichtig“, sagt Museumsdirektor Felix Krämer. Die wichtigste Phase dieser Kunst liegt in den 1950er und 1960er Jahren. Heinz Mack von der in Düsseldorf gegründeten Gruppe „Zero“ schafft aber bis heute immer neue Farbkompositionen. In der Ausstellung ist er mit mehreren kleinen und einem großen Werk von einem ozeanisch anmutenden Blau vertreten.

Mit seinen streng geometrisch übereinander liegenden Quadraten ist Josef Albers (1888-1976) einer der ersten Künstler der „Farbfeldmalerei“. Der aus Bottrop stammende Maler gehörte in den 1920er Jahren dem Bauhaus an und emigrierte in die USA, als er unter den Nationalsozialisten als „entartet“ galt. So verband er europäische Traditionen mit amerikanischen Einflüssen. Die Ausstellung zeigt ein in Grün- und Grau-Tönen gehaltenes Bild von Albers.

Die Farbfeldmalerei löste sich nach und nach nicht nur im Inhalt von den Gegenständen, sondern auch von der quadratischen oder rechteckigen Leinwand. So entstanden Werke zwischen Malerei und Skulptur. „Schwarz mit weißem Balken“ heißt etwa eine Arbeit von Ellsworth Kelly (1923-2015), in der ein schwarzes Quadrat einen langen weißen Balken zu tragen scheint. Kelly gilt als einer der ersten Künstler, die das rechtwinklige Bild verließen, und monochrome – in einer Farbe gehaltene – Flächen verschiedener Form und Größe nebeneinander setzten.

Der deutsche Maler Gotthard Graubner (1930-2013), der auch in Düsseldorf tätig war, hatte Farben, meist verschwimmend, auf kissen-förmig gewölbter Leinwände aufgetragen. „Amaterasu“ nannte er sein Werk von 1989/90, das zur Sammlung Willi Kemp gehört. Der Sammler habe jahrelang Kontakte zu Künstlerinnen und Künstler gepflegt, deren Arbeiten er kaufte, sagt Museumsdirektor Krämer.

Farben sind auch chemisches Material. Damit hatte sich Rupprecht Geiger beschäftigt, der in München lebte. Er setzte für ein Bild verschiedener Rot-Töne – eine Wolke aus dunkelroten Punkten auf einem in hellerem Rot changierenden Grund – eine Farbe ein, mit der die US-amerikanische Armee ihre Ausrüstung markiert hatte. Eine Art Alarm-Rot. Siebdrucke von Geiger kombinieren verschieden leuchtende Farben. Ihm ging es um deren emotionale Kraft, die Lebensfreude vermitteln sollte.

Das war das Ziel etlicher Maler und Malerinnen nach dem Zweiten Krieg. In den ersten Jahren dieser Malerei seien die Werke jedoch oft als banal diffamiert worden, betonte Krämer. Der Vorwurf „Das kann ich auch!“ habe im Raum gestanden und würde auch heute noch gelegentlich geäußert. „Farbrausch“ soll die erste einer Reihe von Ausstellungen aus der Sammlung Kemp sein, erläutert der Museumschef. Sie ist bis zum 30. März zu sehen.