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Adveniat-Chef: Auf Weltklimakonferenz müssen konkrete Taten folgen

Nach der Weltklimakonferenz am Amazonas dreht sich auch die Adveniat-Aktion um die Region. Hilfswerk-Chef Maier fordert radikale Veränderungen im Lebensstil gegen den Klima-Crash – etwa weniger Konsum, Müll und Fleisch.

Die 30. Weltklimakonferenz COP30 ist gerade zu Ende gegangen – diesmal in Belém in Brasilien, mitten im Amazonasgebiet. Passend dazu hat das deutsche katholische Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat die bundesweite Weihnachtsaktion der katholischen Kirche unter das Motto “Rettet unsere Welt – Zukunft Amazonas” gestellt. Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) erklärt Hauptgeschäftsführer Martin Maier die Hintergründe der Aktion, die am Sonntag in Mainz eröffnet wird, und zieht eine erste Bilanz nach der Weltklimakonferenz.

Frage: Pater Maier, das Leitwort der Adveniat-Aktion heißt “Rettet unsere Welt – Zukunft Amazonas”? Was steckt dahinter?

Antwort: Wir kämpfen seit langem für den Schutz der Regenwälder und für die Rechte der indigenen Völker am Amazonas. Denn dort steht das Überleben unseres Planeten auf dem Spiel. Und darauf wollen mir mit der aktuellen Aktion hinweisen.

Frage: Wie geht es den Menschen vor Ort?

Antwort: Im Amazonasgebiet leben etwa 2,2 Millionen Indigene. Die radikale Abholzung des Regenwalds, rücksichtslose Rohstoffausbeutung und die Erdölförderung zerstören ihre Lebensgrundlagen. Vor kurzem wurden – entgegen jeder Vernunft und aller vorherigen Bekundungen – neue Ölbohrungen an der Amazonas-Mündung erlaubt. Das ist ein ganz schlechtes Signal.

Frage: Mitten in der Amazonas-Region ist ja gerade auch die Weltklimakonferenz COP 30 zu Ende gegangen – im brasilianischen Belém. Wie zufrieden sind Sie mit den Ergebnissen?

Antwort: Meine Bilanz fällt sehr gemischt aus. Ich bin zunächst zufrieden, dass die Konferenz überhaupt stattfinden konnte – trotz des Boykotts der USA, dem sich zum Glück keine anderen Länder angeschlossen haben. Es war außerdem bedeutsam, dass die Tagung in der Amazonasregion stattfand und der Kontakt zu den indigenen Völkern bestand, die sich auch einbringen konnten.

Frage: Und was war weniger gut?

Antwort: Enttäuscht bin ich darüber, dass kein verbindlicher Ausstieg aus den fossilen Energieträgern vereinbart werden konnte. Außerdem wurde die Finanzierungsfrage nicht klar geregelt. Es ist zwar von 125 Milliarden Euro die Rede, die von wohlhabenden Ländern in den globalen Süden fließen sollen für Klimaanpassung und ökologische Transformation, aber das “wann” und “wie” bleibt völlig offen.

Frage: Wie muss es weitergehen nach der COP30 – weltweit und vor allem in der Amazonasregion?

Antwort: Nötig sind konkrete nächste Schritte. Immerhin haben sich 82 Staaten zu einer “Koalition der Willigen” zusammengeschlossen und für das nächste Jahr eine Konferenz in Kolumbien geplant – da übernehmen auch wieder lateinamerikanische Länder Verantwortung. Positiv hervorheben möchte ich den von Brasilien initiierten Regenwaldfonds, der Länder entschädigen soll, die auf die Abholzung von Regenwald verzichten. Das ist ein innovatives Beispiel für neue Initiativen, die zum Klimaschutz beitragen könnten. Und es eilt: Denn nach neuesten Schätzungen sind dort bereits 18 Prozent der Regenwälder abgeholzt – und bei 25 Prozent wäre ein Kipppunkt erreicht, der zum Kollaps des gesamten Ökosystems führen könnte.

Frage: Wie bewerten Sie die Rolle der deutschen Regierung bei der Konferenz?

Antwort: Ich denke, Deutschland hat – insbesondere Umweltminister Carsten Schneider – sehr konstruktiv agiert. Es gehört zu den Staaten, die weiter auf den Ausstieg aus fossilen Energien hinarbeiten möchten. Zudem stellt Deutschland über die nächsten zehn Jahre eine Milliarde Euro für den Regenwaldschutz bereit.

Frage: Welche Verantwortung trägt denn Deutschland beim Ressourcenverbrauch und bei dessen Auswirkungen auf den Amazonas und auf das Weltklima insgesamt?

Antwort: Es ist völlig klar: Unser Lebensstil ist nicht länger vertretbar – worauf ja auch Papst Franziskus immer wieder hingewiesen hat, vor allem in der Enzyklika “Laudato si”. Nur ein Beispiel: Wenn alle Menschen so viel Abfall produzieren würden wie wir, würde das ökologische System ganz schnell kollabieren. Wir müssen unseren Lebensstil ändern und zum Beispiel weniger Öl und Gas verbrauchen, weniger Müll verursachen und weniger Fleisch essen. Denn die Länder des Nordens tragen die Hauptverantwortung für den Ausstoß von Treibhausgasen, während die Länder des Südens am stärksten darunter leiden. Diese Zusammenhänge wollen wir auch bei der Adveniat-Weihnachtsaktion im Advent klarmachen.

Frage: Jetzt sagen manche, Kirche sei viel zu politisch und solle den Glauben vermitteln, aber nicht über Tempolimit, Fleischkonsum und Klimaschutz predigen. Wie sehen Sie das?

Antwort: Diese Haltung ist falsch. Ökologische Verantwortung, soziale Gerechtigkeit und Glaube gehören untrennbar zusammen. Die Option für die Armen steht im Zentrum unseres Glaubens, wie auch das neue gemeinsame Schreiben “Dilexi te” der Päpste Franziskus und Leo XIV. zeigt. Kirche hat eine ethische Verpflichtung, sich für diese Themen einzusetzen.

Frage: Wie helfen Ihre Partnerorganisationen vor Ort denn konkret den Menschen am Amazonas?

Antwort: Auf vielen Wegen. Das eine ist die juristische Unterstützung – etwa im Kampf gegen die Regierungen und die Ölkonzerne. Aber wir fördern auch Projekte nachhaltiger Wirtschaft wie zum Beispiel die Casa Amazonica von Schwester Elis dos Santos, die an der Klimakonferenz teilgenommen hat und die jetzt auch unser Gast ist bei der Aktion. Dort gibt es unter anderem Gemeinschaftsgärten mit ökologischem Gemüseanbau. Außerdem werden nachhaltige Seife und pflanzliche Medizin produziert. Solche und viele andere Initiativen zeigen, dass man auch im Einklang mit der Natur wirtschaften und den Menschen den Lebensunterhalt sichern kann – und auch, dass fairer Handel möglich ist mit gerechten Preisen und Löhnen.

Frage: Wann ist die Adveniat-Aktion ein Erfolg?

Antwort: Wenn wir in Deutschland das Bewusstsein stärken, dass der Amazonas lebenswichtig für alle ist, der es auch wert ist, dass wir unseren Lebensstil ändern. Und wenn wir mit den Spenden aus Deutschland in den Weihnachtsgottesdiensten die Arbeit für die Armen in Lateinamerika und der Karibik noch besser unterstützen können.