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Zwischen Ziegen und Gebet

Maria Anna Leenen lebt seit 22 Jahren als Eremitin. In der Klause St. Anna bei Bippen in Niedersachsen lebt sie mit ihrer Katze und acht Ziegen und führt ein einfaches, aber erfülltes Leben. Menschen auf der Suche nach Gott sind ihr willkommen

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Sie wollte reich werden. Da war sie noch keine 30 und ging nach Venezuela, um in kurzer Zeit viel Geld zu verdienen. Heute lebt sie im Niemandsland zwischen Osnabrück, Cloppenburg und Meppen. Von Reichtum keine Spur.
Maria Anna Leenen ist Eremitin.
Kein Navigationsgerät findet die Adresse. Ein ausgewaschener Feldweg geht von einer kleinen Landstraße ab. Wenn es regnet, gibt man am besten viel Gas, um nicht stecken zu bleiben. Dann tauchen ein paar alte Gebäude auf. Wohnt da jemand? Wirtschaftsgebäude. Eine Scheune, Ziegenstall. Vor der Scheune ein Holzkreuz aus Birkenstämmen. Ein paar Schritte weiter taucht ein kleiner Garten auf. Eine Tür geht auf und Maria Anna Leenen schiebt ihren weißen Schopf heraus. Besucher sind willkommen in der Klause St. Anna.

Ihre Eltern waren „ökumenisch“

Der Weg zu ihrem heutigen Leben war alles andere als vorgezeichnet. Mütterlicherseits stammt sie aus lutherischem Adel. Bis 1492 gehen die Wurzeln zurück. 1956 wurde Maria Anna Leenen in Osnabrück geboren. Ihr Vater brachte den katholischen Glauben mit. „Ich war lutherisch. Aber nach der Konfirmation hatte ich keine Beziehung mehr zur Kirche.“
Sie erzählt von ihrem Leben in jungen Jahren. Dass sie Bewegungstherapeutin gelernt hat und immer viel Sport getrieben hat. „Das sieht man mir heute nicht mehr an, was?“ Sie lacht und deutet auf ihre Rundungen. Dabei werkelt sie in ihrer Küche. Es ist ein kühler Tag, sie schiebt ein großes Holzscheit in den Ofen. Es knistert. Die Küche ist der einzige Raum, der halbwegs warm ist. „Erschrecken Sie nicht, wenn ich plötzlich aufspringe“, sagt sie. „Wenn es regnet, muss ich die Wäsche reinholen.“
Sie kommt auf Venezuela zu sprechen. „Wir wollten zu Geld kommen und hatten gehört, dass man in Südamerika mit Büffelzucht reich werden kann.“ So ging sie mit Freunden dort hin. „In der Zeit war Glaube kein Thema für mich.“ Doch das sollte sich in dieser Zeit ändern.
Maria Anna Leenen war schon immer eine Leseratte. Als ihr auf der Farm die Bücher ausgingen, lieh sie sich eines von ihrem Chef. Der hatte nicht viele auf deutsch, wählerisch durfte sie nicht sein. „Ich bekam ein Buch über Marienerscheinungen. In einem Bericht kam dieser Satz vor: Jesus Christus ist der Weg, die Wahrheit und das Leben. „Das hat es bei mir ,peng‘ gemacht. Mir kamen die Tränen.“
Ab da wurde alles anders. „Erst mal musste ich herausfinden, wie das aussieht, wenn man Jesus gefunden hat.“ Sie besuchte Gottesdienste in Venezuela und war beeindruckt von der Lebendigkeit. „Das Land ist katholisch. In jeder Messe gibt es den Friedensgruß. Das heißt mindestens eine viertel Stunde Chaos. Und der Weihnachtsgottesdienst war richtig Party. Geburtstagsparty für Jesus“, schwärmt Maria Anna Leenen. „Da wurde ich reich beschenkt.“ Mit dem materiellen Reichtum dagegen hat es nicht geklappt. Der Chef bekam einen Herzinfarkt. Maria Anna Leenen musste zurück nach Deutschland. Aber da war ihr Reichtum auch nicht mehr wichtig.

Leben bei den Klarissen war eine intensive Zeit

Zurück in Deutschland war die Frage: Wie lebe ich jetzt? Sie ging in lutherische Gottesdienste. Dann in katholische Messen. „Dort habe ich etwas von dem gefunden, was mich in Venezuela so begeistert hat.“ Im Alter von dreißig Jahren wird sie katholisch. In ihrer Familie gab es überhaupt ein munteres Hin und Her. „Mein Vater ist nach dem Krieg aus der katholischen Kirche ausgetreten und wurde kurz vor seinem Tod im Jahr 1988 evangelisch.“ Der Bruder sei ausgetreten und nach vielen Jahren wieder eingetreten. Er sei der evangelischen Kirche treu geblieben. „Die Konfession ist ja auch egal. Wichtig ist, dass man seinen Platz findet.“
Draußen ist es trüb geworden. Der Wind rauscht in den Bäumen. Maria Anna Leenen blickt hinaus. Sie steht auf und holt die Wäsche ins Haus. Eine Katze schlüpft mit ihr durch die Tür. „Na komm, du sollst es auch warm haben“, sagt Leenen.
Dann erzählt sie weiter. Wie sie im Alter von 33 Jahren ins Kloster ging. „Zu den Klarissen. Die sind sehr streng. Es war eine intensive Zeit und ich habe dort die geistlichen Grundlagen für mein Leben danach gelernt.“ Auch wenn sie da noch nicht wusste, dass es noch ein „Danach“ geben wird. „Ich wollte im Kloster bleiben. Doch dann hat mir Gott gesagt: Du bist hier zum Lernen. Aber hier bleibst du nicht.“ Sie führte viele Gespräche mit ihrer Äbtissin und ihrer Novizenmeisterin.
Vier Punkte wurden ihr klar: „Ein Leben des Gebetes führen. In Schweigen und Zurückgezogenheit leben. Franziskus und Klara von Assisi als Vorbild. Und ich soll und möchte weitergeben, was ich selbst geschenkt bekommen habe.“
All diese Punkte sieht sie in ihrem Leben als Eremitin erfüllt. Der größte Raum in ihrem Haus ist die Kapelle. Dort betet sie täglich mehrmals. Es kommen Menschen zu ihr zu Gesprächen, sie versteht sich als geistliche Begleiterin. In einer kleinen Hütte kann auch jemand übernachten und für ein paar Tage bleiben. Maria Anna Leenen lebt in Armut und in Einklang mit der Natur.
Seit 2010 gibt es einen Förderverein, der die Klause unterstützt und kaufen möchte. „Ihr Ziel ist es, diesen Ort auch über meinen Tod hinaus als geistlichen Ort zu erhalten.“

Gespräche für die eigene Kurskorrektur

Maria Anna Leenen ist direkt dem Bischof unterstellt. Für ihren Unterhalt muss sie selbst aufkommen. Sie verdient Geld vor allem mit ihrer Tätigkeit als Autorin. „Früher habe ich viel für eine Nachrichtenagentur geschrieben. Heute schreibe ich lieber Bücher oder Beiträge. Da muss ich hier nicht weg.“ Ihre Tage sind strukturiert durch die Gebetszeiten und angefüllt mit Arbeit am Computer, im Garten, im wie am Haus und mit den Tieren. Draußen hört man die Ziegen meckern. Acht Ziegen sind es. „Tolle Tiere. Richtige Persönlichkeiten. Und sie halten meinen Rasen kurz“, erklärt sie.
Maria Anna Leenen legt Wert darauf, dass sie zwar zurückgezogen lebt, aber nicht isoliert. Einsamkeit ist für sie meist kein Thema. „Ich war schon immer eine Einzelgängerin. Nur selten vermisse ich es, bis tief in die Nacht mit Freunden zusammenzusitzen.“ Sie hat regelmäßig Kontakt mit anderen Eremiten. „Wir tauschen uns im Internet aus. Alle drei Jahre gibt es ein Treffen.“ Einmal im Monat findet in ihrer Kapelle eine Messe statt. Einmal im Jahr gibt es ein Klausenfest, da treffen sich alle, die zum Förderverein gehören und die sich sonst mit der Klause verbunden fühlen. Alle zwei Monate sucht sie ihren geistlichen Begleiter auf. „Das ist mir sehr wichtig für die Kurskorrektur.“ Außerdem hält sie Kontakt zu ihrer Verwandtschaft und zu Freundinnen.
„Eremitisches Leben ist eine Herausforderung“, sagt Maria Anna Leenen. „Es ist keine Kuschelecke mit Jesus. Aber für mich genau das Richtige.“

Internet: www. maria-anna-leenen.de, www.klausenkapelle.de.