Der 36. Deutsche Evangelische Kirchentag vom 24. bis 28. Mai in Berlin und Wittenberg hält nach den Worten seiner Präsidentin Christina Aus der Au „die ökumenischen Themen auf der Agenda“, ohne immer „Ausrufezeichen setzen“ zu wollen. Im Interview mit Benjamin Lassiwe äußerte sich die reformierte Schweizer Theologin auch zu den politischen Schwerpunkten des Protestantentreffens und zum Umgang mit der AfD.
Frau Aus der Au, wo sind die Schwerpunkte des Kirchentags?
Das ist zum einen die Reformation: Reformation als politisches Ereignis, als gesellschaftliches Ereignis, als kirchliches Ereignis mit Wurzeln in und Auswirkungen auf Europa. Das ist auch das zweite Schwerpunktthema: Was hält Europa zusammen? Was treibt es auseinander? Wie können wir unsere Zivilgesellschaft stärken? Dann ist da die Ökumene: Wir feiern keine Spaltung, sondern ein Christusfest. Wir stellen die Frage: Wie finden wir zusammen? Wo gibt es Gemeinsamkeiten? Wie hat sich die katholische Kirche durch die Reformation verändert? Das sind drei der großen Themen. Dazu kommen der Rechtspopulismus als Herausforderung dieser Gesellschaft und der Klimawandel.
Wo hat sich die katholische Kirche verändert?
Beim Thema Rechtspopulismus hat der Kirchentag schon Ärger bekommen. Denn er hat im Gegensatz zum Leipziger Katholikentag eine Referentin von der AfD auf ein Podium eingeladen.
Auf diesem Podium diskutieren Bischof Markus Dröge und die Rechtsanwältin Liane Bednarz mit Anette Schultner, der Vorsitzenden der Organisation „Christen in der AfD“, darüber, was Christsein bedeutet, wenn die einen sagen, als Christ bin ich in der AfD, und die anderen sagen, Christsein und AfD schließen sich definitiv aus.
Was antworten Sie Menschen, die Sie dafür kritisieren?
Zum einen zeigt das, dass wir eine streitbare Bewegung sind, und das ist gut so. Zum anderen bin ich davon überzeugt, dass wir nicht die Schotten dichtmachen können, sondern uns auseinandersetzen müssen mit rechtspopulistischem Denken. Ich sehe die AfD kritisch. Und wo Vertreter menschenverachtende Dinge sagen, twittern und facebooken, muss man sagen: So auf gar keinen Fall! Aber der Wahlerfolg der AfD ist Ausdruck einer realen und gefährlichen Stimmung in der Gesellschaft. Ich finde, man macht es sich zu einfach, wenn man sagt: Mit denen reden wir nicht.
Welche Ausrufezeichen kann der Kirchentag denn dieses Jahr in der Ökumene setzen?
Wir bereiten gerade mit den katholischen Geschwistern das Ökumenische Fest im September in Bochum vor, das im Jahr des Reformationsjubiläums einen Akzent setzen wird. Aber es geht gar nicht darum, jedes Mal ein Ausrufezeichen zu setzen. Wichtig ist, dass die ökumenische Basis stetig tragfähiger wird. In vielen Vorbereitungsgruppen für den Kirchentag arbeiten Menschen anderer Konfessionen selbstverständlich mit.
Der Kirchentag hält die ökumenischen Themen auf der Agenda. Sehnsüchte, Wünsche, Visionen bekommen eine Stimme und werden mit Vertretern der kirchlichen Seite diskutiert. Neue Möglichkeiten werden ausprobiert – zum Beispiel in München das orthodoxe Brotbrechen, die Artoklasie. Das war eine kreative Idee, dem Bedürfnis eines gemeinsamen Essens und Trinkens in Erinnerung an das Sterben und die Auferstehung nachzukommen. Aber so, dass alle mitmachen konnten, und nicht nur die Angehörigen einer Konfession. Und natürlich haben wir noch Themen auf dem Tisch, die wir in der Ökumene diskutieren müssen: die Frauenordination, die Aufhebung des Zölibats.
Erstmals Trauungen beim Kirchentag
Was hat denn die eigene evangelische Seite beim Stichwort Ökumene zu tun?
Gerade beim Stichwort Abendmahl haben wir noch mancherlei Herausforderungen. Ich glaube, dass es den Evangelischen gut täte, über dessen Bedeutung nachzudenken. Bei uns in der Schweiz feiern wir das meist nur vier Mal im Jahr, und ich kenne eine ganze Reihe von Gemeindegliedern, die sagen: Heute ist Abendmahl, da gehe ich nicht hin. Da können wir von den Katholischen liturgisch und auch, was das Sinnliche am Sakrament bedeutet, noch viel lernen.
Müssen auch auf dem Kirchentag die Abendmahlsgottesdienste noch liturgischer werden?
Für mich als Reformierte sind diese Gottesdienste schon ziemlich liturgisch. Und wir haben ja auch ökumenische Gottesdienste und die experimentellen Gottesdienste der Gottesdienstwerkstatt beim Kirchentag. Unser Wunsch ist es, dass das die Samenkörner sind, die sich dann in den Gemeinden verbreiten. Dass vom Kirchentag etwas ausgeht, was dann das Gemeindeleben prägt.