von Anke Brockmeyer
Nachdem eine Bombe sein Haus getroffen und seinen kleinen Sohn schwer am Kopf verletzt hatte, war für Nassim Ragb der Zeitpunkt gekommen, mit seiner schwangeren Frau und den beiden fünf- und achtjährigen Kindern Syrien zu verlassen. Zwei Wochen lang war die Familie unterwegs, überwiegend zu Fuß. Im September haben die Ragbs in der Gemeinde Apen im Ammerland Zuflucht gefunden. Sie sind eine von vielen Familien, die im Willkommens-Café der Diakonie eine erste Anlaufstelle, Kontakte und Hilfe gefunden haben. Mitte Oktober besuchte Bischof Jan Janssen das Café und informierte sich über das Engagement der Haupt- und Ehrenamtlichen im Arbeitskreis Asyl.
Im wöchentlichen Wechsel wird das Willkommens-Café jeweils dienstags im Kirchengemeindehaus Apen und im „Dock 20“ in Augustfehn angeboten, bis zu 50 Flüchtlinge nutzen das Angebot. Ein Pool von rund 30 ehrenamtlich Mitarbeitenden unterstützt sie beim Ausfüllen von Formularen, Arztbesuchen oder beim Einkaufen – und beim Deutschlernen. Etwa bei einem Memory-Spiel. Gerade diese gezielte Arbeit im Kleinen sei wichtig, betonte der Bischof. „Sie können nicht die ganze Welt retten – aber die Welt hier in Apen.“
Der Arbeitskreis Asyl ist ein gutes Beispiel dafür, wie Vernetzung und die professionelle Bündelung von Aufgaben funktionieren können: Anfang des Jahres hatte die Kommunalverwaltung die Diakonie Ammerland gebeten, die Einsätze der vielen Ehrenamtlichen zu koordinieren, die in der Flüchtlingshilfe mitarbeiten wollten. „Diese enge Zusammenarbeit zwischen Kommune und Diakonie ist etwas Besonderes“, betont Hildegard Kluttig von der Diakonie in Apen. Einmal im Monat treffen sich die Ehrenamtlichen zum Erfahrungsaustausch, zudem nehmen sie an einer Fortbildungsreihe zu Fragen von Asyl, Migration und Flucht teil. „Mit diesem Zusammenspiel auf verschiedenen Ebenen ist Ihr Angebot ein echtes Vorzeigemodell“, zeigte sich Janssen beeindruckt. „Es ist ein Zeichen dafür, wie stark unsere Gesellschaft sein kann, wenn wir zusammenarbeiten.“
Gemeinde der kurzen Wege
Ein weiterer Vorteil in der kleinen Gemeinde sind die kurzen Wege – zum Sozialamtsleiter, zu Hauseigentümern mit freien Wohnungen, aber auch zu Nachbarn und Freunden, die Ängste äußern vor den Flüchtlingen und den damit verbundenen Veränderungen. „Wir sind ein großes Bindeglied zur Bevölkerung“, hat die ehrenamtliche Mitarbeiterin Ingrid Renken festgestellt. „In Gesprächen können wir Sorgen nehmen. Etwa, wenn es um die Frage geht, ob Wohnungen enteignet werden oder die Turnhalle künftig für Flüchtlinge zur Verfügung stehen muss“, ergänzt ihre Mitstreiterin Christiane Bourguignon. Die Ehrenamtlichen, sind sich alle einig, seien Multiplikatoren. Und sie können mit Fakten aufwarten. Etwa, dass nach Apen überwiegend Familien kommen, die sich gegenseitig sozialen Halt bieten. Und dass bis Ende Januar für die Flüchtlinge, die noch kommen sollen, genügend Wohnraum zur Verfügung steht – dezentral.
Wird sich das Leben in der Gemeinde ändern? Und wenn ja, wie? Natürlich werde es sich ändern, ist Bischof Janssen sicher. „Irgendwann werden sie ganz selbstverständlich dazugehören. Unsere Großeltern hätten nie Pizza oder Pasta gegessen – für uns ist das nicht mehr wegzudenken“, erinnert er an die italienischen Gastarbeiter, die in den 60er Jahren kamen. Doch nicht nur im Bild der Gesellschaft, auch im eigenen Bewusstsein ändere sich etwas, ist die Erfahrung von Anke Helm-Brandau. Die Synodale der oldenburgischen Kirche setzt sich ebenfalls im Arbeitskreis ein und hat festgestellt: „Durch diese Arbeit wird uns plötzlich bewusst, in welchem Überfluss wir leben.“ „Nicht nur die Flüchtlinge lernen hier etwas, wir lernen auch ganz viel – auch über uns selbst“, sind sich die Ehrenamtlichen einig.