Israels Krieg gegen die Terrororganisation Hamas im Gazastreifen oder Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine stehen jeden Tag im Mittelpunkt der Nachrichten. Wie lassen sich Kriege beenden? Ein Blick in die Geschichte.
Die Menschheit führt seit Jahrtausenden Krieg. Genau so lange währt die Suche nach Frieden. Wie kann man einen Krieg denn wieder beenden? Ein Blick zurück bis in die Antike zeigt: Kriege enden selten durch einen eindeutigen militärischen Sieg. Viel öfter waren die Erschöpfung der Kriegsparteien, komplexe Verhandlungsprozesse, extreme Ereignisse und/oder die Vermittlung Dritter nötig.
Bereits im Altertum waren Kriege meist keine “Alles-oder-Nichts”-Unternehmungen. Zwar endeten einige Konflikte mit der völligen Vernichtung einer Seite: Bekannte Beispiele sind die Zerstörung Karthagos durch Rom im Jahr 146 v. Chr. oder die Zerstörung Jerusalems 70 n. Chr. Viel häufiger suchten die Gegner nach jahrelangen Kämpfen einen Ausgleich. Friedensschlüsse wurden dabei oft durch religiöse Riten legitimiert oder unter Vermittlung neutraler Städte und Schiedsrichter erreicht.
In der griechischen Welt etwa etablierte sich die Praxis, nach verlustreichen Schlachten Gesandte auszutauschen und Bedingungen für einen Waffenstillstand oder Frieden zu verhandeln. Der sogenannte “Nikias-Friede” von 421 v. Chr. beendete vorerst den ersten Teil des Peloponnesischen Krieges zwischen Athen und Sparta, weil beide Lager erschöpft waren.
Nach Erkenntnis des Marburger Konfliktforschers Thorsten Bonacker finden lediglich etwa 20 Prozent der zwischenstaatlichen Kriege ihr Ende mit einem vollständigen Sieg einer Partei. Bekannte Beispiele sind die bedingungslosen Kapitulationen Deutschlands Anfang Mai 1945 oder die des japanischen Kaiserreichs Anfang September 1945. Damit endete der Zweite Weltkrieg in Europa und im Pazifik.
Die meisten Konflikte lassen sich nicht durch eine einzige militärische Entscheidung abschließen. Das wird bereits bei dem ältesten überlieferten Friedensvertrag der Welt deutlich. Er wurde im Jahr 1259 vor Christus zwischen dem Hethiterreich und den Ägyptern geschlossen.
“Ägypter und Hethiter sicherten sich in dem Vertrag vor mehr als 3.200 Jahren gegenseitig Unterstützung zu, keiner triumphierte. Dem müssen viele Aushandlungen vorangegangen sein, dies bezeugt eine umfangreiche Korrespondenz zwischen den Herrschern”, sagten 2018 Achim Lichtenberger und Helge Nieswandt vom Archäologischen Museum der Universität Münster.
Der Westfälische Frieden von 1648 zeigt ebenfalls, wie ein Krieg durch langwierige Verhandlungen beendet werden konnte. Über fünf Jahre tagten die Gesandten, während der Dreißigjährige Krieg seit 1618 verheerend wütete und Schätzungen zufolge ein Drittel der Bevölkerung das Leben verlor. Heute gilt der Kongress unter Historikern als erster europäischer Friedenskongress. Er stärkte wesentlich die Rolle und Bedeutung diplomatischer Gesandter und wurde so zum Vorbild für spätere Friedensverhandlungen in Europa.
Klare Sieger sind in modernen Kriegen selten, Kompromisse wahrscheinlicher. Ob der Waffenstillstand im Koreakrieg 1953, das Pariser Abkommen zum Vietnamkrieg 1973 oder das Dayton-Abkommen von 1995, das den Krieg in Bosnien und Herzegowina beendete – fast immer sind Verhandlungen, Waffenstillstände und die Vermittlung internationaler Institutionen wie der Vereinten Nationen nötig, um das Töten zu beenden.
Auch der Vatikan hat sich als Friedensvermittler eingebracht. Der Kirchenhistoriker Jörg Ernesti weist darauf hin, dass Papst Leo XIII. (amtiert 1878-1903) insgesamt elf Mal in internationalen Konflikten vermittelt und den Heiligen Stuhl als Friedensvermittler etabliert habe. Der Ostern verstorbene Papst Franziskus hatte Kardinal Matteo Zuppi zum Leiter einer vatikanischen Friedensmission für die Ukraine ernannt. Zuppi reiste nach Moskau und Kiew, vermittelte den Austausch von Gefangenen, die Rückführung nach Russland verschleppter ukrainischer Kinder und in Fragen humanitärer Hilfe.
Die 1968 in Rom gegründete christliche Gemeinschaft Sant’Egidio hat sich in Sachen Friedensvermittlung besonders ausgezeichnet. Wegen ihrer vielfältigen informellen Kontakte zu Politikern und Kirchenführern konnte die Vereinigung in mehreren bewaffneten Konflikten positiv wirken. Ihre größte diplomatische Leistung ist der “Friedensvertrag von Rom”, mit dem 1992 der 15 Jahre dauernde Bürgerkrieg in Mosambik beendet wurde. Nicht umsonst wird die Initiative als die “UNO von Trastevere” bezeichnet, wo Sant’Egidio ihren Sitz hat.