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Wer Schwäche zeigt, wird am Ende verlieren

Eindrücke eines Pastoralkollegs im Zeichen des Konflikts zwischen Israel und Palästina

Ein Friedenszeichen gibt es zum Abschied: eine aus Olivenholz geschnitzte kleine Taube mit einem Palmzweig in ihrem Schnabel zum Anstecken. „Ich möchte, dass ihr dieses Zeichen des Friedens weitertragt“, sagt Kadra  Zreineh zu ihren Gästen. Einen Tag lang hatte die katholische Christin eine Gruppe von 16 Pfarrerinnen und Pfarrern aus der rheinischen, westfälischen und reformierten Landeskirche durch Bethlehem geführt. Zreineh, die für die evangelische Kirche arbeitet, engagiert sich für Frieden und Versöhnung zwischen den Konfessionen. Dabei macht sie immer wieder deutlich, wie Menschen den Konflikt zwischen Israel und Palästina in ihrem Alltag erleben.
Begegnungen mit Juden, Muslimen und Christen, mit Israelis und Palästinensern prägten dieses Pastoralkolleg unter dem Titel „Auf den Spuren Jesu im Zeichen des Konflikts zwischen Israel und Palästina“. Diese Begegnungen haben auch Zreinehs Leben als palästinensische Christin geprägt und sie ermutigt, trotz der Mauer, die Bethlehem von Jerusalem trennt, die Hoffnung auf Frieden nicht aufzugeben.
Doch das Misstrauen ist auf beiden Seiten groß. Das erfährt die Gruppe auch beim Besuch der jüdischen Siedlung Efrata in der Nähe von Jerusalem. David Bollag, der hier als Rabbiner wirkt, schildert das Dilemma des Konflikts aus seiner Sicht: „Einerseits wollen wir nicht die Sieger sein, die andere unterdrücken, aber andererseits wollen wir die Überlebenden sein.“ Denn wer Schwäche zeigt, wird am Ende verlieren und schließlich sei die arabisch-palästinensische Gesellschaft im Gegensatz zum Staat Israel weder demokratisch noch von der Aufklärung bestimmt.  
Entscheidend sei, nicht in die Opferrolle zu fallen, zu resignieren oder schließlich Gewalt anzuwenden, betont Daoud Nasser. Der Palästinenser hat auf dem Land seiner Familie das private Friedensprojekt „Tent of Nations“ (Zelt der Völker) initiiert. Das Land gehört seiner Familie seit 1916, inzwischen wird es allerdings von fünf israelischen Siedlungen bedrängt. So haben er und seine Familie bereits viele Übergriffe und Bedrohungen seitens israelischer Siedler und Sicherheitskräfte erlebt. Dennoch sagt Daoud sehr bestimmt: „Wir weigern uns zu hassen und Feinde zu sein, wir setzen dafür auf einen aktiven, aber gewaltlosen Widerstand.“
Aber wie kann ein Land, das sich mehr als 50 Jahre Besatzung erlaubt, das so rassistisch geprägt ist und Asylsuchende sowie Beduinen menschenunwürdig behandelt, wirklich eine Demokratie sein, fragt Rabbi Arik Ascherman. Mehr als 20 Jahre hat er für die Organisation „Rabbiner für Menschenrechte“ gearbeitet, bevor er 2016 eine eigene interreligiöse Menschenrechtsorganisation gründete. Beide Seiten müssten erkennen, dass sie mehrheitlich moralisch gute Menschen sein wollen, die sich nichts anderes wünschen als miteinander im Frieden zu leben.
Den Ansatz dazu sehen die „Hand in Hand Schulen“ im gemeinsamen und zweisprachigen Unterricht für jüdische und arabische Kinder vom ersten Schuljahr an: „Wir säen den Samen für Freundschaft und Frieden, dass sich die Kinder kennen- und vertrauen lernen“, betont Hassan, Schulleiter der „Hand in Hand Schule“ im arabischen Ort Kfar Kara bei Jerusalem.
Israelis und Palästinenser treffen sich auch im evangelischen Schul- und Ausbildungszentrum Talitha Kumi in Beit Jala bei Bethlehem und kommen miteinander ins Gespräch, berichtet Schulleiter Rolf Lindemann. Von den etwa 900 Schülerinnen und Schülern kommen rund 100 Jugendliche aus Ost-Jerusalem. Jeden Tag müssen sie allerdings den Checkpoint überqueren: oft ein langer Schulweg.
Frieden erhoffen sich besonders die palästinensischen Christen, die manchmal zwischen die Fronten des Konfliktes geraten. Mönchspriester Justin betreut als einziger Christ in Nablus die griechisch-orthodoxe Kirche am Jakobsbrunnen. Er zeigt den Besuchern Beschädigungen an und in der Kirche, verursacht durch Schüsse und Handgranaten, als Folgen gewaltsamer Konflikte im gegenüberliegenden palästinensischen Flüchtlingslager mit israelischen Sicherheitskräften. Aber Pater Justin lässt sich davon nicht einschüchtern.
Genauso unerschrocken lernt die Reisegruppe auch die kleine, arabisch-lutherische Gemeinde von Beit Sahur bei Bethlehem kennen: „Wir sind die Nachfahren der Hirten und als solche bleiben wir hier“, betont deren Pfarrer Ashraf Tannous am Ende eines Gottesdienstes.

Christian Hohmann ist Regionalpfarrer im Amt für MÖWe und dort zuständig für den Nahen Osten sowie für die Kontakte zu den altorientalischen sowie orthodoxen Kirchen.