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“Völkermord”-Äußerung: Palästinensischer Bischof bedauert Eklat

Der palästinensische Bischof Sani Ibrahim Azar hat die „Irritation“ durch seine „Völkermord“-Äußerung vor einer Woche in einem Gottesdienst in Jerusalem bedauert. Er verstehe, dass der Begriff Völkermord sehr belastet sei und Emotionen hervorrufe, sagte der Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien und im Heiligen Land dem Evangelischen Pressedienst (epd). Seine Äußerungen seien jedoch keine politische Provokation gewesen, sondern „eine seelsorgerliche Ansprache an meine Gemeinde in Jerusalem, die direkt von dem Konflikt betroffen ist“. Unterstützung erhielt Azar durch einen offenen Brief, dessen Verfasser die Haltung der evangelischen Kirche kritisieren.

Der Bischof hatte am 31. Oktober in seiner Predigt im internationalen Gottesdienst in der Jerusalemer Erlöserkirche in Anwesenheit einer Delegation des nordrhein-westfälischen Landtags mit Blick auf den Gaza-Krieg von „zwei Jahren Völkermord“ an den Palästinensern gesprochen. Den Hamas-Überfall auf Israel vom 7. Oktober 2023 als Auslöser des Gaza-Krieges erwähnte er nicht. Wegen der Wortwahl verließ der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Abraham Lehrer, die Kirche – er gehörte der NRW-Delegation an.

Aus Solidarität mit dem Zentralrats-Vize blieb die Delegation aus NRW, zu der auch Landtagspräsident André Kuper und die westfälische Präses Adelheid Ruck-Schröder angehörten, dem Empfang nach dem Gottesdienst fern.

Kritik kam am Wochenende auch von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), der Begriff „Völkermord“ stehe einer Verständigung und Versöhnung entgegen. „Wir beklagen das Leiden der Zivilbevölkerung auf beiden Seiten“ erklärte ein Sprecher. „Und wir beten für einen gerechten Frieden im Nahen Osten, der Sicherheit, Freiheit und Würde für alle Menschen ermöglicht.“ Am Freitag ergänzte eine Sprecherin, die EKD stehe „in langjähriger und vertrauensvoller Partnerschaft sowohl mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland als auch mit der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien und im Heiligen Land“.

Azar sagte, die Kritik nehme er ernst. In seiner Predigt habe er nicht spalten oder polarisieren wollen: „Sie war nicht als politische Position gegenüber Deutschland oder der jüdischen Gemeinschaft gedacht.“ Er verurteile „jede Form von Gewalt, sei sie gegen Palästinenser oder Israelis gerichtet“.

Präses Ruck-Schröder, leitende Theologin der Evangelischen Kirche von Westfalen, rief nach ihrer Rückkehr von der Delegationsreise zu einem offenen Dialog auf. Das Leid auf beiden Seiten des Nahost-Konflikts müsse wahrgenommen werden. Niemand können bestreiten, dass es im Gaza-Krieg zu Verletzungen des Völkerrechts und der Menschenrechte gekommen sei. Sie halte aber nichts davon, „den Ausdruck ‘Genozid’ als Kampfbegriff einzusetzen – schon gar nicht aus deutscher Perspektive“.

In einem offenen Brief an die EKD und deren 20 Gliedkirchen kritisierte eine Gruppe aus dem Bereich der evangelischen Kirchen die Haltung der EKD. „Wir halten die Vorwürfe gegenüber Bischof Azar für problematisch und nicht haltbar“, heißt es in dem Brief. Kirchenleitende in der EKD nähmen sich „das Recht heraus, den Sprachgebrauch eines palästinensischen, kirchenleitenden Christen, der direkt vom Nahostkonflikt betroffen ist, zu verurteilen“. Die Verantwortlichen in der EKD müssten „konsequent für einen gerechten Frieden für alle Menschen im Heiligen Land eintreten“.

Unterzeichnet ist das Schreiben von der Tübinger Religionswissenschaftlerin Katja Dorothea Buck und dem Pfarrer Andreas Maurer aus Winnenden. Es gebe 580 Unterschriften aus allen Landeskirchen, erklärten sie. Namen wurden nicht genannt.