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Vielstimmig für die Kleinen

Großkundgebung „Wir haben es satt!“ für klimafreundliche Landwirtschaft am Rande der internationalen Grünen Woche in Berlin. Gegen-Aktionen „Wir machen Euch satt!“

Berlin – Mehr als 30 000 Menschen haben nach Angaben der Veranstalter in Berlin für eine klimafreundlichere Landwirtschaft demonstriert. Sie forderten eine Wende in der Agrarpolitik und eine Abkehr von der industriellen Lebensmittelproduktion. Organisiert wurde die Kundgebung, an der auch mehr als 100 Bauern mit ihren Traktoren teilnahmen, vom Bündnis „Wir haben es satt!“, das bereits zum neunten Mal am Rande der Agrarmesse Grüne Woche demonstrierte. Die Polizei sprach auf Anfrage von „mehreren Zehntausend Teilnehmern“.
Die Demonstranten, an der sich auch die beiden kirchlichen Hilfsorganisationen „Brot für die Welt“ und „Misereor“ beteiligten, forderten unter anderem eine Neuausrichtung der EU-Agrarsubventionen. Die 60 Milliarden Euro an jährlichen EU-Agrargeldern sollten künftig besser verteilt werden, erklärte das „Wir haben es satt!“-Bündnis. Kritisiert wurde etwa, dass vor allem Großbetriebe von Agrarsubventionen profitierten.
Allein in Deutschland würden jedes Jahr 6,3 Milliarden Euro an EU-Agrargeldern ausgeschüttet, mehr als drei Viertel davon als pauschale Subventionen je Hektar Fläche, kritisierte das Bündnis. Konkret bedeute dies, dass die 3300 flächengrößten Betriebe in der Bundesrepublik etwa eine Milliarde Euro im Jahr erhielten, während die kleinsten 200 000 Bauernhöfe sich knapp 700 Millionen teilen müssten.
„Mit den über sechs Milliarden Euro, die Deutschland jedes Jahr an EU-Agrargeldern verteilt, muss der umwelt- und tiergerechte Umbau der Landwirtschaft gefördert werden“, forderte „Wir haben es satt!“-Sprecherin Saskia Richartz. Kritisiert wurde zudem Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU), die „sich an die pauschalen Flächensubventio­nen“ klammere.
Die Geschäftsführerin von Greenpeace Deutschland, Sweelin Heuss, betonte: „Für Bäuerinnen und Bauern sind Dürre und Stark­regen eine besonders existenzielle Gefahr.“ Die Landwirtschaft könne dem Klimawandel nicht ausweichen. Ursula Hudson, Vorsitzende von Slow Food Deutschland, erklärte: „Um unsere Ernährung und die der nächsten Generation zu sichern, müssen wir die biokulturelle Vielfalt bewahren und die kleinbäuerliche Landwirtschaft, handwerkliche Fischerei und Lebensmittelherstellung unterstützen.“ Gefördert werden sollte nur, „wer soziale und ökologische Leistungen erbringt“.
Zur „Wir haben es satt!“-Demonstration hatten insgesamt rund 100 Organisationen aufgerufen, darunter Landwirtschaftsverbände, Umwelt-, Tierschutz- und entwicklungspolitische Organisationen. Zum Protestzug gehörten mehr als 100 Traktoren von Landwirten aus ganz Deutschland, ein „Kochtopf-Konzert“ am Tagungsort der internationalen Agrarministerkonferenz sowie die Übergabe einer Protestnote für eine „enkeltaugliche Agrarpolitik“.
Auch an anderen Orten wurde demonstriert. So protestierten in Tübingen in Baden-Württemberg nach Angaben des Bundes für Umwelt und Naturschutz rund 1300 Menschen für eine ökologische und gerechte Landwirtschaft.
Zudem gab es Gegen-Aktionen. So wehrten sich Landwirte – etwa auf Wochenmärkten –- mit verschiedenen Aktionen gegen Pauschalkritik an der Agrarwirtschaft. Unter dem Titel „Wir machen Euch satt!“ riefen sie die Verbraucher in Städten dazu auf, mit den Bauern in einen Dialog zu treten. Bei einer „Wir machen Euch satt!“-Auftaktaktion am Vortag der Großkundgebung hatten rund 150 Landwirte etwa 200 Kilogramm Weizen vor dem Brandenburger Tor in Berlin verstreut.epd/KNA