Berlin. Nur jede zweite Gemeinde, die Flüchtlingen Kirchenasyl gewährt, kommt den geforderten Verfahrensregeln nach. Aus Gesprächen mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wisse man, dass 2017 entgegen der Übereinkunft zwischen Staat und Kirchen nur in etwa der Hälfte aller Kirchenasylfälle Gemeinden ein Dossier eingereicht hätten, sagte der Leiter des Berliner Büros der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Karl Jüsten, der Tageszeitung "Die Welt" (Dienstag). Der Berliner Bevollmächtigte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Martin Dutzmann, bestätigte die Zahl "über alle Konfessionen hinweg". Von den evangelischen Asyl-Gemeinden reichten ihm zufolge etwa 53 Prozent im vergangenen Jahr ein Dossier ein.
Zahlen aus dem niedersächsischen Innenministerium entsprechen den Angaben der beiden Prälaten: Aus einer Auswertung des niedersächsischen Bundesamtes für den Zeitraum von Mai 2016 bis September 2017 gehe hervor, dass nur in rund 54 Prozent der Fälle Dossiers eingereicht wurden, nur 58 Prozent hätten dem Bundesamt einen Kirchenvertreter als Ansprechpartner genannt.
"Wenige Abweichler" in Niedersachsen
Die evangelische Kirche in Niedersachsen wollte die Tendenzen nicht bestätigen. Es treffe zwar zu, dass in der Konföderation der fünf Landeskirchen die Zahl der gemeldeten Kirchenasyle von der Zahl der eingereichten Dossiers abweiche, sagte Oberlandeskirchenrätin Andrea Radtke dem epd. "Allerdings sind das nur einige wenige Abweichler." Das Gros der Gemeinden gehe sehr sorgsam mit dem Kirchenasyl um.
2015 hatten Kirchen und Bundesamt vereinbart, dass der Staat das Kirchenasyl hinnimmt und zur Prüfung der jeweiligen Fälle bereit ist, sofern die Gemeinden dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Dossiers zu den Hintergründen der Asylsuchenden übermitteln und einen kirchlichen Ansprechpartner benennen.
Prälat Dutzmann sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), die EKD bedauere, dass es den Gemeinden nicht in allen Kirchenasylfällen gelinge, zeitnah ein vollständiges Dossier einzureichen. Allerdings sei dessen Erstellung oft schwierig und zeitaufwendig, das Bundesamt stelle hohe Anforderungen. Die Personen, die den Schutzsuchenden Obhut gewährten, seien in der Regel juristische und medizinische Laien. "Deshalb sind sie auf fachlichen Rat angewiesen", sagte Dutzmann.