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Viel Kritik an Vorstoß zu Straffreiheit bei Abtreibungen

Abgeordnete von SPD und Grünen wollen noch vor der Wahl die Regeln für Abtreibungen ändern. Union und katholische Kirche weisen das zurück. Und auch andere wollen das Thema nicht überstürzen.

Ein neuer Vorstoß zur Straffreiheit von Abtreibungen aus den Reihen von SPD und Grünen bringt das Thema schlagartig in die öffentliche Debatte zurück. Bei Union, katholischer Kirche und Abtreibungsgegnern sorgt das Ansinnen für scharfe Kritik. Nicht nur Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) forderte am Freitag mehr Zeit für eine gründliche Debatte.

Am Donnerstag hatte eine Gruppe von SPD- und Grünen-Abgeordneten einen Gesetzentwurf vorgelegt, um noch vor den Neuwahlen im Februar eine Änderung der Abtreibungsregeln zu erreichen. Auch aus den Reihen der Linken gibt es Unterstützer.

Kern des Vorstoßes ist es, Schwangerschaftsabbrüche aus dem Strafgesetz herauszunehmen. Stattdessen sollen Abbrüche bis zur zwölften Woche “rechtmäßig und straffrei” sein und im Schwangerschaftskonfliktgesetz geregelt werden. Eine Beratungspflicht soll bleiben, allerdings ohne die derzeit geltende Wartezeit von drei Tagen. Die Kosten eines Schwangerschaftsabbruchs sollen von der Krankenkasse übernommen werden.

Merz nannte den Vorstoß völlig inakzeptabel. Es handele sich um ein Thema, “das wie kein zweites das Land polarisiert” und “das wie kein zweites geeignet ist, einen völlig unnötigen weiteren gesellschaftspolitischen Großkonflikt in Deutschland auszulösen”, sagte der CDU-Chef am Freitag in Berlin. “Wenn wir über dieses Thema reden, dann brauchen wir dafür Zeit, dann brauchen wir dazu auch Gutachten, was verfassungsrechtlich zulässig ist.” Merz warf Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vor, den Vorstoß zu unterstützen, obwohl dieser derzeit immer von Zusammenhalt spreche.

Die katholischen Bischöfe in Deutschland erklärten, es gehe um sehr grundsätzliche verfassungsrechtliche und ethische Fragen. “Wir halten eine Reform des Schwangerschaftsabbruchsrechts für überhaupt nicht geeignet, in der derzeitigen politischen Situation im Bundestag noch behandelt und abgestimmt zu werden”, sagte der Sprecher der Bischofskonferenz, Matthias Kopp, am Freitag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Bonn. Ein für eine solche Gesetzesänderung notwendiges, geordnetes Verfahren und eine angemessene Auseinandersetzung könnten zwischen Vertrauensfrage, Auflösung des Bundestages und Neuwahlen nicht stattfinden. “Ein derartiger Umgang stärkt nicht das Vertrauen in Politik und Demokratie.”

Die FDP-Abgeordnete Katrin Helling-Plahr sagte auf Anfrage, sie halte es für unangemessen, dass die Gruppe “dem Bundestag auf den letzten Metern so ein komplexes Thema vor die Füße wirft”. Es brauche Raum für die gesellschaftliche Debatte.

Ähnlich äußerte sich auch Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa. Angesichts der kurzen Zeit bis zur Neuwahl wäre es nicht verantwortlich, die Entscheidung “jetzt im Eiltempo treffen zu wollen”. Wo es um Grundsatzfragen am Lebensanfang gehe, brauche es eine geordnete Beratungszeit.

Abtreibungsgegner äußerten scharfe Kritik: “Wer Abtreibung aus dem Strafrecht entfernt, schafft Grundrechte von Kindern ab”, sagte die Vorsitzende des Bundesverbands Lebensrecht, Alexandra Linder. Die Aktion Lebensrecht für Alle kritisierte den Vorstoß als “brandgefährlich”. Der Gesetzentwurf “will nicht nur die Tötung von Menschen eines bestimmten Alters rechtmäßig stellen, sondern die Kosten hierfür auch noch der Solidargemeinschaft aufbürden”, sagte die Bundesvorsitzende Cornelia Kaminski.

In Deutschland sind Schwangerschaftsabbrüche laut Paragraf 218 des Strafgesetzbuchs rechtswidrig. Abtreibungen in den ersten zwölf Wochen bleiben aber straffrei, wenn die Frau sich zuvor beraten lässt. Eine von der Bundesregierung eingesetzte Kommission hatte im April Empfehlungen für eine Liberalisierung der Abtreibung vorgelegt und sich dafür ausgesprochen, das entsprechende Gesetz aus dem Strafgesetzbuch zu streichen.

Die Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes erklärte, die Abgeordneten des Bundestags hätten “die historische Chance”, über “diesen wichtigen und lange überfälligen Schritt für Frauenrechte abzustimmen”. Diese Chance dürfe nicht vertan werden. Auch die Arbeiterwohlfahrt begrüßte den Vorschlag, forderte aber weitergehende Regelungen wie eine Abkehr von der Beratungspflicht.