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Während eines achtwöchigen Studienurlaubes in der Kalahari in Botswana traf Pfarrerin Katharina Falkenhagen in den lutherischen Gemeinden Christinnen und Christen mit starken Glaubenshoffnungen.
Von Katharina Falkenhagen
Endlich kann die Reise losgehen. Nachdem das Auto noch mal vollgetankt wurde und die Frauen ihre Beutel und Schlafmatten im Kofferraum sicher verstaut hatten. Knapp 600 Kilometer liegen vor uns – zuerst der Transkalahari-Highway, dann 150 Kilometer Schotterpiste und weiter auf einer sich schier endlos hinziehenden Straße entlang der Grenze zu Südafrika.
Unser Ziel ist Tshabong im Süden von Botswana, um an der Jahreskonferenz der Prayer Womens League, der Frauenhilfe der Evangelisch- Lutherischen Kirche teilzunehmen. Für mich haben solche Entfernungen eher eine Bedeutung im Zusammenhang von Urlaubsreisen. Hier in Bots wana, in der Kalahari- Region, gehört die Bewältigung weiter Wege zum Alltag der Gemeinden und ihrer Pfarrerinnen und Pfarrer. Im Rahmen eines Studienurlaubes und der Entsendung durch das Berliner Missionswerk lernte ich für acht Wochen das Leben der lutherischen Gemeinden in der Kalahari kennen.
Die deutsche Missionarin Anneliese Lüling führte in der Kalahari Mitte des vergangenen Jahrhunderts lutherische Christinnen und Christen zusammen – ein buntes Gemisch verschiedener Ethnien. Heute sind diese Gemeinden Teil des Verbundes der Evangelical Lutheran Church of Southern Africa, der Evangelisch-Lutherischen Kirche im südlichen Afrika, ELCSA. In den Gottesdiensten wird neben den Amtssprachen Englisch und Tswana auch Nama, Afrikaans und ein spezieller Kalahari-Dialekt gesprochen.
Das Gebiet dieser Gemeinde, Mission Area Kalahari, umfasst die Ortschaften Takatokwane, Motokwe, Kang, Inaleholo, Sekoma und Lokgwabe in einem Gebiet von ungefähr 400 Kilometer Durchmesser. Der Transkalahari-Highway durchzieht das weite Buschland. Abgesehen von der relativ kurzen Regenzeit ist das Klima meist trocken und heiß. Im afrikanischen Winter können die Temperaturen allerdings bis in die Minusgrade gehen. Botswana hat ungefähr 2,5 Millionen Einwohner auf einer Fläche, die um einiges größer als Deutschland ist. Weite Gebiete des Landes stehen unter Naturschutz. Viele Menschen, vor allem in der Kalahari-Region, sind sehr arm. Allerdings ist die Regierung von Bot swana bemüht, die Lebensbedingungen nach und nach zu verbessern. Seit der Unabhängigkeit vor 51 Jahren fließen Steuereinnahmen unter anderem aus dem Diamantenhandel in die Stärkung der Infrastruktur. Die meisten Straßen sind asphaltiert, Schotterstraßen werden regelmäßig gepflegt. Schulbildung ist kostenlos und die weiterführende Ausbildung der Jugend wird staatlich gestützt. Alle Schulen werden kontinuierlich modernisiert. Oft wohnen die Lehrpersonen unmittelbar an der jeweiligen Schule oder auf dem Campus.
Die Gesundheitsversorgung ist kostenlos. In jedem Dorf befindet sich eine Gemeindeschwestern station und diese sind erste Anlaufpunkte für Kranke. Sie geben Medikamente und Lebensmittel für Bedürftige aus. Auch entlegene Gebiete sind mit Elektrizität und Trinkwasser versorgt. Landwirtschaft ist in der Kalahari nur sehr begrenzt möglich, Tierhaltung hingegen extensiv. Das in Botswana produzierte Rindfleisch ist international gefragt. Touristinnen und Touristen sowie Gäste sind in Bots – wana gern gesehen, aber nur wenige Weiße leben im Land.
Der erste Präsident Botswanas, Seretse Khama, der von 1966 bis 1980 regierte, sorgte dafür, dass traditionelle Stammesstrukturen und westliche Demokratie heute eine Einheit bilden. Das Parlament und die Versammlung der Stammesführer bilden gemeinsam die Legislative.
Die Lutherische Kirche von Bot – swana als Teil der ELCSA finanziert sich im Wesentlichen selbst. Mitgliedsbeiträge und Spenden bilden das wirtschaftliche Fundament der Gemeinden. Die Finanzierung der Pfarrstelle im Gebiet der Mission Area Kalahari wird durch Spenden aus Deutschland ermöglicht. Pfarrer Odireleng Sengwaketse versieht seit etwas mehr als zwei Jahren den Dienst in Kalahari–Nord. Ihm ist es gelungen, junge Menschen für die Gemeinden zu gewinnen.
Mit den Gemeindewahlen, die in diesem Jahr stattfinden, rückt nun die junge Generation nach. Ich konnte einige der jungen Leute kennenlernen. Sie haben die Vision von einer lutherischen Kirche, die – getragen vom Heiligen Geist – neue Wege sucht und die eigenen Ressourcen nutzt. Während meines Aufenthaltes konnten wir im Rahmen eines Workcamps der Youth League, der kirchlichen Jugendorganisation, die Kirche von Kang renovieren und wieder in Betrieb nehmen.
Die Gemeinde besitzt in Kang ein großes Grundstück mit Pfarrhaus, Kirche und zwei kleinen Gästehäusern. Es bedarf eines für unsere deutschen Verhältnisse geringen Aufwandes, nach der Kirche auch die anderen Gebäude baulich in Ordnung zu bringen. Dann könnte an diesem zentral gelegenen Ort wieder ein Pfarrer mit seiner Familie leben, Gäste könnten beherbergt werden und die Gemeinde hätte die Möglichkeit, ein bescheidenes Tagungszentrum für Jung und Alt zu entwickeln. Während unserer Renovierungsarbeiten kamen immer wieder Menschen vorbei, packten mit an oder erinnerten an die Zeit, in der Anneliese Lüling hier lebte und wirkte.
Viele hatten lebendige Erinnerungen an die Treffen in der Sonntags schule. Am Gottesdienst anlässlich der Wiedereröffnung der Kirche nahmen in diesem Jahr nicht nur die Jugendlichen der ELCSA teil, sondern auch Nachbarn und Gemeindeglieder und Geistliche der befreundeten evangelischen Kirchen.
Mit Hilfe von einigen Spendern konnten wir in Lokgwabe eine kleine Chickenfarm eröffnen und für die Frauen der Womens League in dem Ort zwei Nähmaschinen mit Handbetrieb kaufen. Die Frauen werden Patchwork decken fertigen. Sie möchten mit den Einnahmen dazu beitragen, dass endlich ihre Kirche fertiggestellt werden kann.
In allem Nachdenken und Planen nahm ich eine starke Glaubenshoffnung der Christinnen und Christen wahr. Jede Aktivität wurde mit geistlichen Liedern, Gebeten und Bibellesungen begleitet. Ein besonderer Höhepunkt waren die Feierlichkeiten rings um das Osterfest in Takatokwane. Fußwaschung, Gestaltung der Leidensgeschichte Jesu, Gebete in der Osternacht – wir wurden Zeugen einer berührenden und tiefen Frömmigkeit. Am Karsamstag machten sich verschiedene Kleingruppen auf den Weg, um Kranke oder Menschen, die dem Glauben eher fern stehen, in ihren Häusern zu besuchen, mit ihnen die Bibel zu lesen und sie zu segnen.
Gemeinsam mit Pfarrer Sengwaketse war ich in diesen acht Wochen viel unterwegs. Ich nahm Anteil an seiner Freude über die neuen Aufbrüche. Ebenso erlebte ich, wie schwierig sich der alltägliche Dienst gestaltet. Oft genügt das Geld nicht, um das Benzin für das Gemeindeauto zu bezahlen.
Pfarrer Sengwaketse hat kein eigenes Büro, keinen Computer, mit dem man mal kurz eine E-Mail empfangen oder absenden oder mit dessen Hilfe die Unterlagen für die Wahlen ausgedruckt werden können. Die langen Weg strecken erschöpfen ihn oft sehr. Gern würde er den aktiven Gemeinde gliedern die Möglichkeit eröffnen, Laienpredigerkurse oder Fortbildungen für Sonntagschullehrer zu besuchen. Doch viele gute Ideen scheitern an den einfachsten Dingen.
Pfarrer Sengwaketse und ich ermutigten uns während dieser Zeit oft gegenseitig, beteten miteinander oder wechselten uns einfach beim Fahren ab. Es war gut, zu zweit in den Weiten der Kalahari unterwegs zu sein. Wir haben oft an die Geschichte von der Aussendung der 72 Jünger gedacht. Der Evangelist Lukas berichtet davon in seinem Evangelium im 10. Kapitel. Jesus sandte sie jeweils zu zweit aus. Dahinter stand die Hoffnung, dass sie sich auf diese Weise in schwierigen Zeiten gegenseitig stützen und ermutigen können.
Katharina Falkenhagen ist Pfarrerin in Frankfurt/Oder.