Artikel teilen:

Unmut über gestiegene Zahl

Die erneute Kritik des Bundesinnenministers Thomas de Maizière an der Praxis des Kirchenasyls weist die Bundesarbeitsgemeinschaft „Asyl in der Kirche“ zurück

Berlin – Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat erneut die Praxis des Kirchenasyls in Deutschland kritisiert. Die Zahlen seien „höher als erwartet“, sagte der CDU-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Darüber wollten Bund und Länder mit den Kirchen sprechen. Die Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft „Asyl in der Kirche“ wies Kritik de Maizières an der Praxis zurück.
Laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wurden von Januar bis Ende Oktober dieses Jahres 1270 Fälle von Kirchenasyl gemeldet, in denen jeweils mehrere Personen betroffen sein können. Im gleichen Zeitraum kamen 156 000 neue Asylsuchende nach Deutschland. Kirchenasylfälle machten also nur einen geringen Anteil aller neuen Asylfälle aus. Evangelische, katholische und freikirchliche Gemeinden gewähren im Kirchenasyl Menschen in besonderen Härtefällen Schutz vor einer drohenden Abschiebung. Sie melden die Fälle laut einer Vereinbarung mit dem Staat dem Bundesamt, das die Fälle dann nochmals prüft.
De Maizière sagte, Kirchenasyl müsse „immer ultima ratio sein, ein allerletztes Mittel“. Die Vereinbarung, dass die Kirchen die staatlichen Stellen über jeden Fall informieren, klappe leider nicht immer. Das Bundesamt erklärte auf Anfrage, dass Fälle zwar gemeldet, entgegen der Vereinbarung in vielen Fällen aber kein Dossier vorgelegt werde. Darin fassen die zuständigen Kirchenmitarbeiter alle Informationen zu einem bestimmten Fall zusammen. Nach Angaben des Bundesamts lagen zu den bis Ende Oktober gemeldeten 1270 Fällen erst 639 Dossiers vor.
Die Kirchen wollten sich zur neuerlichen Kritik de Maizières nicht äußern. Katholische und evangelische Kirche hatten stets betont, dass sie das Kirchenasyl als „ultima ratio“ sehen würden. Zwischen den staatlichen Stellen und Vertretern der Kirche finden regelmäßige Gespräche statt. Ein nächster Termin ist laut Evangelischer Kirche in Deutschland (EKD) für Anfang 2018 geplant.
Mitte November gab es laut Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche 348 Fälle von Kirchenasyl in Deutschland. Die Gemeinden boten dabei 531 Menschen Schutz, darunter 127 Kindern. Beim Großteil der Fälle – 305 – handelte es sich um „Dublin-Fälle“, bei denen ein anderer EU-Staat für das Asylverfahren zuständig ist.
Insbesondere dies sorgt für Kritik auf staatlicher Seite. Das Kirchenasyl sorgt in Dublin-Fällen oftmals dafür, dass Menschen zunächst in Deutschland bleiben können, weil die sogenannte Überstellungsfrist in das andere europäische Land nach sechs Monaten verstreicht.
Auch diese Überstellungen könnten für die Betroffenen aber Härten darstellen, verteidigte die Vorstandsvorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche, Dietlind Jochims, in Hamburg die Praxis. Sie verwies unter anderem  auf die menschenunwürdige Behandlung Geflüchteter in manchen osteuropäi­schen Ländern und die uneinheitliche Entscheidungspraxis innerhalb Europas. epd/UK